Der heuer 30-jährige koreanische Dirigent Hankyeol Yoon setzte sich unter mehr als 300 Bewerber*innen vor einem Jahr im Herbert von Karajan Young Conductors Award der Salzburger Festspiele als Preisträger durch. In der Geschichte dieses Wettbewerbs kehrten erfolgreiche Dirigierende wie Mirga Gražinytė-Tyla oder Lorenzo Viotti immer wieder als Gäste in die Konzerte des Festivals zurück. Yoon war 2019 als jüngster Preisträger des Gstaad Menuhin Festivals mit dem Neeme Järvi Prize ausgezeichnet worden, war Dirigierassistent an den Bühnen in Nürnberg und Genf und von der Eötvös-Stiftung für zeitgenössische Musik zu eigenen Kompositionen ermutigt worden. Die YCA-Auszeichnung beinhaltet die Einladung, bei den nächsten Festspielen ein Programm des Wiener ORF Radio-Symphonieorchesters zu gestalten. In der Felsenreitschule stellte er sich nun dem Publikum vor als Komponist wie Dirigent eines attraktiven romantischen Programms.

Als Elfjähriger verließ Yoon das Dorf seiner Kindheit und ging auf eine Kunstschule in Seoul. Musik hatte ihn seit Langem begeistert, insbesondere die freie Klavier-Improvisation. Als Kompositionsstudent, später auch in München, lernte er, nicht so sehr vom eigenen Ausdruck des Moments begeistert zu sein, sondern den in einem Stück verborgenen Emotionen klangliche Wirkung zu verschaffen. In seinem Orchesterwerk Grium, dessen Titel Sehnsucht wie Heimweh bedeutet, gehen ihm Bilder aus der Jugend durch den Kopf ebenso wie westliche Impressionen, künstlerische Träume wie streng Erlerntes.
Aus groß besetztem Schlagwerk eröffneten Peitschenknall und Windheulen, Klangblech und Paukenschlag das Werk. Linienhafte akkordische Melodien der Streicher kontrastierten dazu, wirkten eher schwermütig, wurden von kurzen Motiven aus den Holzbläsern erhellt. Beide Szenerien veränderten sich: aus dem Orchestertutti konnte man Stimmungen zwischen Brahms und Schönberg heraushören, das Glockenspiel sammelte die Töne des Londoner Westminsterschlags, die dem zwölfminütigem Stück ein versöhnliches Ende gaben. Viele Gedankengänge in einem kurzen Werk, dessen Uraufführung hier von Yoon konzentriert geleitet wurde; das nicht unmittelbar eingängig ist und in seiner Virtuosität den Musikern aber viel Raum für beeindruckende Sequenzen gab.
Noch deutlich jünger als Yoon ist die spanische Geigerin und Komponistin María Dueñas, die in kurzer Zeit bereits fabelhafte Erfolge feierte. Sie war die Solistin in Max Bruchs Erstem Violinkonzert g-moll, dessen Ruhm die Wertschätzung überdauerte, die Bruch mit seinem umfangreichen Œuvre nicht genießen konnte. So sehr, dass selbst Bruch das um 1870 schon hitverdächtige Werk am liebsten in der Schublade eingeschlossen hätte.
Das Vorspiel mit seinen dunkel klopfenden Mollterzen und der sich aus diesem Unruheherd hinausträumenden Violine deuteten Dueñas und Yoon sehr vorsichtig, enorm durchscheinend, jeden Ton wägend. Im rhapsodischen Allegro wurde das moderato sehr zurückhaltend genommen, Details ausgeleuchtet; Ruhe atmete auch das große Orchester-Zwischenspiel. Der Geiger Joseph Joachim gab dem Komponisten wichtige Anregungen zur solistischen Gestaltung, so auch der fließende Übergang ins Adagio, dessen wunderschön schmelzendes, romantisch eingängiges Hauptthema von María Dueñas ernsthaft und differenziert gestaltet, wo jeder harmonische Fortgang von ihr bedächtig ziseliert wurde. Das kraftvoll finale Allegro spiegelte die musikalische Ungarn-Mode aus Joachims Zeit, gab der sympathischen Solistin wie dem exquisiten Orchester Gelegenheit, die raffinierte Harmonik auszukosten, brillante Bravour der Virtuosin wie des engagiert begleitenden Orchesters charmant hervorzukehren.
Ehrliches Bekenntnis ist auch in Peter Tschaikowskys Sechster Symphonie, der Pathétique, zu finden, die intime Ängste und Wünsche in musikalischen Ausdruck setzt. Düster und suchend die Klage des Fagotts über dunkle Akkorde tiefer Bässe; vom süßen Schmerz der Liebe wie seligem Leid singt das zweite Thema. Glühend, ja zehrend gestaltete Hankyeon Yoon Adagio und Allegro dieses ersten Satzes, dehnte den Schmerz eines Unglücklichen zwischen Fluch und Seligkeit über den ganzen Satz aus. Mit weiten Armschwüngen reflektierte er das Aufbäumen eines Helden, setzte stille Wehmut bis ins resignative Verklingen des Satzes.
Idylle des Luxus dann wie aus dem Stimmengewirr eines Salons im Allegro con grazia, das sonore Violoncelli elegant anstimmten, leuchtende Holzbläser in leiser Wehmut wie heiterer Unbeschwertheit beantworteten. Geheimnisvoll wirblig und in kecker Betriebsamkeit der dritte Satz, aus dem blitzende Schlagwerksoli herausstachen. Den Klagegesang im ungewöhnlichen finalen Adagio lamentoso nahm Yoon wieder sehr breit, demütige Ergebung gestaltete er bis zum Verlöschen dieser klanglichen Biographie. Yoons suggestiv emotionaler Zeichengebung folgte das exzellente Orchester vorzüglich. Man muss diese brillante Jugend im Auge behalten!