Eine Gräfin, die einen Prozess führt um ein Schloss zu erben; ein verliebter Adeliger der sich als Räuber verkleidet, um sie zu erobern – er ist nämlich ausgerechnet die gegnerische Partei im Rechtsstreit! – und ein Räuber der sich als Adeliger ausgibt, um an den Silberschatz im Schloss zu kommen. Dazu noch ein feiger Leutnant, der seine Angebetete (die Schwester eines ziemlich begriffsstutzigen Barons) nur heiraten darf, wenn er den Räuber festnimmt und ein entführter Bräutigam, der zwar niemandem abzugehen scheint, für den aber Lösegeld gefordert wird. In bester Operettenmanier bietet die Handlung von Robert Stolz’ Venus in Seide eine Überfülle an Irrungen, Kostümierungen und kuriosen Handlungssträngen – und natürlich ein Happy End, bei dem sich alles in Wohlgefallen auflöst.

Regisseur Dirk Schmeding inszeniert an der Oper Graz die ebenso temporeiche wie absurde Handlung mit feiner humoristischer Klinge, ohne dass der Abend ins Lächerliche abgleitet oder die Geschichte krampfhaft modernisiert wird. In der reduzierten Grundoptik des Bühnenbildes, können die üppigen Kostüme – etwa die vielen verschiedenen Roben der Fürstin Jadja oder das in Rot und Gold schimmernde Outfit von Fürst Teleky – ideal zur Geltung kommen. Den Abend über besticht die Inszenierung außerdem mit feiner Personenführung, punktgenauer Situationskomik und augenzwinkernden Details.
Die Fürstin Jadja Milewska-Palotay gab Corina Koller mit divenhaftem Schillern und samtigem Sopran. Die Stimme blüht in der Höhe üppig auf, verfügt aber auch über die nötige Substanz in den tiefen Lagen und bietet dabei sowohl agile Wendigkeit als auch dramatischen Aplomb – kurz gesagt: eine Stimme, die (und das ist ausschließlich positiv gemeint!) ideal für die Gattung Operette ist. Gleiches gilt für ihren Bühnenpartner Matthias Koziorowski, der dem Fürst Stephan Teleky viel tenoralen Schmelz und schmachtende Klangfarben – etwa im sehnsuchtsgetränkten „O Mia Bella Napoli” – verlieh. Die beiden Stimmen verbanden sich außerdem ideal, harmonierten in dunkel leuchtenden Klangfarben ebenso wie in strahlend gesetzten Akzenten und auch darstellerisch schien die Chemie zu passen und der Schmäh zu rennen.
Überhaupt schienen sich an diesem Abend alle Beteiligten auf der Bühne wunderbar zu amüsieren – was sich auch auf das Publikum übertrug, das nicht nur mit dem hohen Paar der Handlung, sondern auch mit den Buffo-Charakteren ausgiebig mitfieberte. Die Komtesse Mizzi Pottenstein-Oroszy lag bei Ildikó Raimondi in den besten Händen: mit wunderbarem komödiantischen Timing gab sie die etwas überdrehte Schwester des Obergespans, die klug ihre eigenen Interessen verfolgt; nämlich die Verlobung mit dem Dragonerleutnant Ladislaus von Köröshazy. In dieser Rolle konnte Ivan Oreščanin einmal mehr sein Talent für Komik voll ausleben und er schaffte es dabei, die Figur gleichermaßen lustig und liebenswert zum Leben zu erwecken. Wunderbar gelang Raimondi und Oreščanin nicht nur ihr Zusammenspiel, sondern auch die vokale Gestaltung ihrer gemeinsamen Momente – mit Witz, Feuer und nicht nur sprichwörtlich auf der Bühne anwesendem Paprika besangen sie da etwa Ungarn und träumten farbenprächtig vom Spiel auf der Mandoline.
Als herrlich naiven Aristokraten, der mit der Welt außerhalb der illustren Gesellschaft wohl noch keine Berührungspunkte hatte, legte Ferry Öllinger den Baron Vilmos Oroszy an; dabei gelang es ihm, die Figur als tatsächlich sympathisch und nicht als überzeichnet vertrottelt darzustellen – etwa als er endlos gutgläubig dem Räuber Rozsa Sándor, den er für den Fürsten Teleky hält, nicht nur einen Koffer voll Geld, sondern auch gleich noch seinen Schmuck zur Aufbewahrung anvertraut.
Komplettiert wurde die Personenriege auf der Bühne von Sandy Lopičić , der den Räuber Rozsa Sándor als Mischung aus Robin Hood und Captain Jack Sparrow anlegte, und János Mischuretz, der in der Doppelrolle als Pfarrer und Wirt Pointen trocken servierte. Unterstützt wurde das Solistenensemble vom wie immer ausgezeichnet disponierten Chor sowie einigen Tänzern.
Unter der Leitung von Marius Burkert schwelgten die Grazer Philharmoniker in Walzerseligkeit und Csardas-Feuer, zelebrierten elegantes Rubato ebenso wie schmachtende Leidenschaft und malten mit breiter Farbpalette klanggewordene KuK-Nostalgie in den Abend. Da sah man den Blechbläsern auch gerne den ein oder anderen unsauberen Wackler bei den Einsätzen nach und erfreute sich einfach an Stolz’ Musik, die Hit auf Hit folgen lässt und in Zukunft hoffentlich öfter in der Heimatstadt des Komponisten auf der großen Bühne zu hören sein wird!