Bereits 2019, damals noch unter der Ägide des Generalmusikdirektors Roland Kluttig, setzte das Landestheater Coburg mit Rheingold einen ersten Schritt in die gewaltige Herausforderung der Einrichtung des Rings des Nibelungen von Richard Wagner. Unter neuer Leitung des GMD Daniel Carter wurden seit 2022 Die Walküre und Siegfried und nun als krönender Abschluss die Götterdämmerung auf die Bühne gebracht. Wegen mehrjähriger Sanierungsarbeiten im alten Haus ist nun für die Opernaufführungen das Globe Theater die Interims-Spielstätte, die im Herbst mit Verdis Macbeth in festlichem Rahmen überzeugend eingeweiht wurde.

Auch der Orchestergraben im neuen Globe kommt an seine Grenzen: Wagners Götterdämmerung, selbst in der sogenannten Coburger Fassung für gut 60 Instrumentalisten gesetzt, ist für das Landestheater eine riesige Aufgabe. Und eine Harfe musste sogar seitlich der Bühne platziert werden, was abschnittweise eine unerwartet deutliche Hervorhebung der Harfenpartie bedeutete. An Stelle komplexer Bühnentechnik des alten Hauses sind Beleuchtung (Markus Stretz) und Drehbühne die verbleibenden Extras.
Wiederum lagen Inszenierung und Bühne in der Verantwortung von Alexander Müller-Elmau, der schon die bisherigen Abende eingerichtet hatte. Im letzten Teil geht es um Gespinste von Lügen und Verrat. „Eine komplizierte Geschichte um Macht und Größenwahn“, nennt ihn der Regisseur. „Die Menschen gehen zurück und fragen sich, wie es eigentlich kam, dass Menschen die Welt derart vernichten!” Auf der Reise in die Mythologie, bei Wagner bis zum Nibelungenlied und Rheingold, stellen sie fest, dass der Ursprung allen Übels bereits bei den Göttern liegt. Müller-Elmau hat auch in ähnliche Überlieferungen der Sagenwelt geschaut wie Edda und Völsungasage; er bedient sich assoziativer Momente daraus und hält gerade am Ende der Götterdämmerung Verknüpfungen wie lose Enden von Schicksalsfäden offen, ordnet im Finale mit der Ablösung der Götterwelt Abläufe neu.
So werden auch die Menschen, die im Rheingold noch eher ziellos über die Bühne wanderten und nicht in die Handlung eingriffen, weiter erzählt: neben der Welt von Gottheiten und Halbgöttern werden sie immer wichtiger, beobachten eifriger, bringen ihre eigene heutige Geschichte mit, in der Umweltschäden und Zerstörung des Planeten eine wichtige Rolle spielen. Wieder ist das Bühnenbild schnörkellos: ein Raum wie ein Museumssaal, in dem die Rheintöchter in Vitrinen leben, die sie für ihre Mahnungen verlassen, ihnen das Unglück bringende Gold zurückzugeben. In Vitrinen finden sich das goldene Hirn aus dem Rheingold wieder; eine Büste von Brünnhildes Ross Grane, das Siegfried im Vorbeigehen streichelt. Die Menschen, wie Besucher eines Museums der alten Welt, erhoffen sich Aufschluss aus der Betrachtung der Geschichte; erstaunt müssen sie feststellen, dass die Götter ihnen nicht helfen können, da diese selbst gegen ihre eigenen Regeln verstoßen haben, ihre Zeit abgelaufen ist.
Julia Kaschlinskis Kostüme erscheinen abgewetzt, glanzlos. Selbst der ehemals wallende Zobel-Mantel des vermummten Wotan, der dem toten Siegfried seine stumme Aufwartung macht, hat seinen Schimmer verloren, ist aus der Zeit gefallen. Seit dem Walkürenritt sind Brünnhildes Gefährtinnen gut zwanzig Jahre älter geworden; an Stelle ihrer bunten Baby dolls und langer Zöpfe trägt Waltraute nun ein strenges schwarzes Korsettkleid, aus dem sie herausgewachsen scheint.
Trotz einheitlichem Bühnenbild und langen Szenen bringt Müller-Elmau eine genaue Führung der Charaktere ins Spiel, das viele Sängerinnen und Sänger des Hauses, wie schon in den vorigen Ring-Abenden, individuell und bewundernswert gestalten. Da gelangen großartige Szenen, wie im vertrauten Gespräch zwischen Brünnhilde und Waltraute im ersten Aufzug, das Irina Oknina (als Gast) und Kora Pavelić eindrucksvoll führten. Gustavo Lopez Manzitti brachte als Siegfried sängerisch und darstellerisch reiche Facetten ins vielseitige Rollenportrait. Lars Fosser (ein biederer Gunther, als Gast), Ana Naqe (in rotem Lack und Leder als Gutrune) und Bartosz Araskiewicz als brutaler Fadenzieher Hagen waren geschwisterlich brillante Gegenspieler des Siegfried.
Eine Doppelhochzeit muss nicht doppeltes Glück bedeuten. Müller-Elmau setzt immer wieder sarkastische Brechungen ein, wenn allzu Rituelles hinterfragt werden soll. Dass Brünnhildes strahlend weißes Brautkleid im zweiten Aufzug mit den zugenähten Ärmeln eher einer Zwangsjacke ähnelt, macht ihre Situation jedem Zuschauer klar. Dass der klangvolle Männerchor in orange-gelben Overalls und Masken wie von der Giftmülldeponie kommend auftritt, ist unerwartet drastisch. Am Ende ist es Alberich (stark Martin Trepl), der wirkungsvoll Hagen ersticht und den Ring ins Publikum schleudert.
Wenn Siegfried an Stelle des Schwerts mit einer kleinen Pistole herumfuchtelt, gehört dies zu den weniger einsehbaren Freiheiten, die Müller-Elmau dem Stück eröffnet. Dass Hagen den Siegfried von vorn ersticht und nicht meuchelnd von hinten, ist weder im Stück angelegt noch hinsichtlich Siegfrieds unbändiger Kraft sonderlich glaubhaft.
GMD Daniel Carter konnte mit dem Coburger Orchester ruhevoll Wagnersche Klangbögen entfalten, die wie im magischen Trauermarsch in der präsent-hellen Akustik des Theaters schnell ins Forte wuchsen. Blechbläser und Holzbläser imponierten mit kraftvollen Glanz, die Streicher breiteten sonore Klangseligkeit aus. Ein wenig mehr Pianokultur hätte den Sängern Raum für individuelle Abstufungen geschaffen; die Textverständlichkeit war vorbildlich.
Irina Oknina brachte auch nach drei Aufzügen noch genügend Reserven mit, den finalen großen Auftritt „Starke Scheite schichtet mir“ mit Leben zu füllen. Gegen drängendes Forte des Orchesters konnte sie mit blühendem Mezzo und in der Höhe starken Spitzentönen ihrer Rolle deutliche Akzente geben. Die alte Welt geht in Flammen auf; jedoch nicht in Resignation, sondern einen Neuanfang zuzulassen, den Wagner selbst mit seinem Auftrag, Neues zu schaffen, beflügeln wollte.