Meta4, 2001 gegründet, ist eines der international erfolgreichsten finnischen Streichquartette. Bereits 2004 gewann es den Ersten Preis beim Internationalen Schostakowitsch-Quartett-Wettbewerb in Moskau, wurde dort außerdem mit einem Sonderpreis für die beste Schostakowitsch-Interpretation ausgezeichnet. Wie schon der Name, in dem sie mit Anfangsbuchstaben der gründenden Streicher spielen ebenso wie mit Andeutung einer Metaphorik, ragt auch ihr Spiel unter den vielen jungen Streichquartetten der Klassik heraus: nun in der Besetzung mit Antti Tikkanen und Minna Pensola (Violine), Atte Kilpeläinen (Viola) und Tomas Djupsjöbacka (Violoncello). Bis auf den Cellisten, der sich direkt neben dem ersten Geiger platziert, musizieren sie stehend, setzen den dynamischen Freiheitsgrad in ein tänzerisches Miteinander um sowie in scheinbar unendliche Energie, mit der sie Perfektion ebenso wie Intensität bündeln.

Ein Schostakowitsch-Quartett gehörte auch zum Programm, das Meta4 beim Auftritt im Gabriel-von-Seidl-Konzertsaal in Bad Tölz vorstellte, kurz vor Konzerten im Münchner Herkulessaal und in Madrid. 1948 vollendete Schostakowitsch sein Viertes Streichquartett. Nach wiederholten Demütigungen durch die Kulturbehörden des stalinistischen Systems hatte er sich vorgenommen, dieses Werk erst später, nach dem Tod von Stalin zu veröffentlichen. Und es gelang ihm damit, den Druck einer konformen Komposition zu vermeiden. Umso mehr ist das Quartett durch lyrischen Grundzug seiner drei Allegretti und einem Andantino ausgezeichnet, Einflüsse stilisierter Volksmelodien und jüdischer Inspiration erklingen neben düsteren Gedanken von Weltschmerz. Herrlich entspannt begannen die Geigen das Hauptthema aus Volkstanzfiguren, während Bratsche und Cello mit langen Liegetönen festlich frohe Stimmung erzeugten, die Musik schnell einen intensiven, ekstatischen Höhepunkt erreichte.
Einen melancholischen Walzer stimmte zunächst die Violine im Andantino an, der dann vom Cello melodiös aufgenommen wurde. Steigerung in höchste Lagen verdichteten die Künstler von Meta4, dass unmittelbar Vorstellungen mythologischer Szenen von Sirenengesängen aufblitzten, die expressive Seufzer-Halbtonschritte ebenso manifestierten wie beseelt tröstliche Abschnitte in freundlichen Dur-Abschnitten. Wie die früh attestierte Schostakowitsch-Kompetenz von Meta4 in den Schlusssätzen noch hochvirtuos in gespenstisch-groteske Klangwelt gesteigert werden kann, bewiesen die Vier an diesem Abend atemberaubend: kompromisslos im chromatisch flehenden Ausdruck zwischen Melancholie und Schmerz.
Höchst willkommen waren die beiden Quartette, die aus der oft noch unterrepräsentierten Schar von Komponistinnen stammten. Kaija Saariaho wurde 1952 in Helsinki geboren, starb 2023 in Paris. Ihre Musik bewegt sich oft im Zusammenklang von Instrument und Elektronik, als Spiel zwischen Naturlaut und „zivilisiertem” Geräusch. Dabei geht es weniger um motivisch-thematischen Fluss, sondern um den Klang und seine Erforschung, fast wie im Blick durch ein Mikroskop auf melodische Partikel, die dann zusammengefügt werden, ähnlich den Abläufen in der Minimal Music. Saariahos rein instrumentales Streichquartett Nr. 2, an den Anfang gesetzt, beginnt wie eine Pianissimo-Studie, in der sie den Instrumentalisten minutiös Anweisungen gibt, etwa ob mit Bogenholz oder Bogenhaaren gestrichen wird. Töne ändern sich laufend, zwischen Glissandi, Trillern und Flageoletts, wurden im weiteren Verlauf von Meta4 fesselnd entwickelt und miteinander verknüpft. Saariahos Erfindungsreichtum erwies sich in konzentriert forschender Sicht der finnischen Virtuosen als überraschend originell und emotional erfüllend, wenn die Transformationen Phrase um Phrase wie Wellen an ein Ufer schwappten: atemberaubende Lehrstunde wie abenteuerlicher Fantasy-Flug!
Die amerikanische Komponistin Amy Beach, 1867 geboren, begann als Vierjährige zu komponieren; als sie mit 77 Jahren starb, hinterließ sie 300 Werke. Lieder der Ureinwohner Alaskas inspirierten sie zu ihrem einsätzigen Streichquartett, Op.89. Den elegisch spätromantischen Zauber dieses Werks, von fast körperlosem Pianissimo bis zur voluminösen Forte-Eruption in Verschränkung aller Themen malten die Musiker geradezu verführerisch aus, ebenso das leise Verhallen, das am Ende wie wohliger Nachklang eines schweren Rotweins auf den Geschmacksnerven zu genießen war.
Finnisches zu Anfang wie auch am Ende: Jean Sibelius' letztes Streichquartett, dessen polyphone Stimmführung die vier Künstler von Meta4 orchestral und mit ausgelassenem Temperament darboten. Höhepunkt der zentrale Adagio-Satz, der dem Werk-Namen „Voces intimae“ alle Ehren machte, in der innig feinen Melodik seiner Themen und der herben Wehmut des harmonischen Ausdrucks. Ein phänomenales Programm, das die Hörer auf unterschiedlichen Musik-Strömungen des 20. Jahrhunderts faszinierend mitnahm und begeistert aufgenommen wurde!