Die NTR ZaterdagMatinee feiert mit dieser Spielzeit ihr 65. Bestehen. 1961 als kulturedukatives Angebot für Arbeiter in den Niederlanden gestartet, deren Samstag nun im Allgemeinen zum freien Tag erklärt worden war, entwickelte sich die Matinee zu einer Konzertserie von Weltruf. Im Amsterdamer Concertgebouw ist sie nicht mehr wegzudenken, wenn internationale Orchester und Stars dort genauso mit bekannten Programmen einkehren wie Gäste und die Heimmannschaft des Radio Filharmonisch Orkest alte und ganz neue Werke der niederländischen Premiere zuführen. Eine Extrareihe von fünf Konzerten aus den meistens konsequent ihrerseits je aus fünf Programmen bestehenden fünf Sparten erinnert diese Saison daran. Nach der Erstaufführung Donizettis Dalinda mit dem RFO und vor Messiaens Turangalîla, die hier am 22. April 1967 gar Weltpremiere erlebt hatte, war mit Henry Purcell Oude Muziek an der Reihe.

Samuel West © Bruce Chatterton
Samuel West
© Bruce Chatterton

Eben viele weitere Jahrhunderte zurück ging es dort, um auf historische Begebenheiten zu blicken: die protestantische, lange Verbindung der Niederlande mit England, als Willem III van Oranje der Gatte von Queen Mary II und somit zugleich König von England geworden war. Christian Curnyns Early Opera Company, ihrerseits 30. Entstehungsjahr zelebrierend, interpretierte dafür zwei Geburtstagsoden Purcells samt dessen berüchtigter Begräbnismusik kombiniert mit Instrumentalem Matthew Lockes und Liedern Constantijn Huygens'. Hauptberuflich Diplomat, verfasste der Niederländer huldigende Briefe an Mary, deren Charakter Inspirationsgrundlage war für das nun erstellte anteilnehmende Textkonzept Thomas Guthries über die Geschichte, mächtige Liebe, Purcell-Verehrung und den Tod der royalen Eheleute, welches der prominente britische Schauspieler Samuel West mit persönlich-theatralischer Nahbarkeit und ansprechend-inbrünstiger Routine rezitierte.

Diese Matinee begann allerdings im programmatischen und staatserinnerungsverbindenden Sinne zeitlich noch früher mit Nicholas Lanier, dem First Master of Music am Hofe King Charles I und Charles II, der sich nach dem Flamen Anthonis van Dyck vom niederländischen Maler Jan Lievens porträtieren ließ. Mit Laniers Ayre No more shall meads, die mithilfe Sopran Anna Dennis‘ sensiblen, deklamatorisch klaren und noblen Stimmgestus – untermalt von Gambe und Erzlaute – einen herzenswarmen, barockromantisch adressierten Einstieg bot, zu dem Nick Pritchards entsprechend gefasster Tenor in Purcells süßlicher Evening Hymn zum Ausklang dieses Konzerts eine intime, wohlpassende Klammer formte.

Füllte das ganze Orchester der EOC diese sowohl in Lockes Auszügen dessen First and Second Musick aus The Tempest als auch fortan bei Purcells Oden in einfühlsamer, würdig-royaler und doch für Kontraste genügend robuster, typischer Tonsprache in gemäßigteren Tempi, wiederholten Dennis und Pritchard ihre affekt- und registergewandte Vokalpreziosität in Huygens' Aubade: Le reveil de Calliste und Serenade: Ne crains point le serein. War Michael Mofidians anrufend-fülliger Bassbariton im De produndis clamavi hingegen stilistisch etwas unausgegoren, erwies sich Tenor Matthew Long in Huygens' italienischer Arie Con la candida man ardita als vorzüglich helle, verständliche und insgesamt organgenehme Wahl.

Zusammen mit dem leichten, mitunter auch buttrig-charmanten, jedenfalls eleganten Countertenor James Hall lieferte er ein beschwingter amüsantes, beredtes „Sound the Trumpet“ aus Purcells Come ye Sons of Art, in der die festlich-erhabenen und homogenen Chor- oder eingängigen Instrumentalritornelle bestachen. Genauso wie Pritchards illuster sensitives, bewegliches „Strike the Viol“, nach dem Mofidian im resoluten „The honour of a Jubilee“-Dictum den stimmigen Stil fand, Dennis (mit Solo-Oboe Alexandra Bellamy) als nachmittägliche Königin wahrhaftig entzückend über dem Ensemble thronte und sich beide im freudig akzentuierten „See Nature, rejoicing“ begegneten.

Stieß zu Anfang Purcells Celebrate this Festival filigraner Sopran Sofia Kirwan-Baez zu den Chor- und Ariensoli hinzu, erreichte Dennis in jener Ode endgültig bezauberndste Stufe an barocker Leuchtkraft, während Hall phrasierend reizend sowie Mofidian den komponisteneigenen Ausdruck (mit nun anfälligerer, aber überwiegend co-heroischer Soloclarine Dave Hendrys) in melodischer Ohrwurmgenerierung zum Besten gaben. Schließlich bestellte Purcells Funeral Music for Queen Mary mit anmutigen Chören und zeremoniellen Trauermärschen von Zugtrompeten, Sackbuts und Trommel eine eindrucksvoll-aufrichtige Andacht für diese historische Feier durch und der Early Opera Company.


Anmerkung der Redaktion: Christian Curnyn sorgte durch einen heftigen Sturz beim Schlussapplaus für eine Schrecksekunde. Der Veranstalter ließ die Öffentlichkeit mit offizieller Mitteilung wissen, dass es ihm bei medizinischem Check soweit gut ging.

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