Beglückte Lionel Meuniers Gruppe Vox Luminis das Klangvokal-Publikum 2017 bei ihrer Premiere in Dortmund mit der mittlerweile schon fast legendären Interpretation Henry Purcells King Arthur, stellte sie dort bei diesjährigem Festival zur Präsenz des zwanzigjährigen Ensemblebestehens und zur Vervollständigung der inzwischen starken Verbundenheit mit dem Veranstalter die in Erfolg und Dimension „zweite“, werkgeschichtlich vierte, andere große Bühnennummer des „Orpheus Britannicus“ vor: The Fairy Queen. Und das – erstmalig in Deutschland – ebenfalls in einer ganz eigenen kreativen Art, die mit den Mitteln der Halbkonzertanz (Benoît De Leersnyder) und historischen Charakteristika der Semi-Opera einerseits eine ehrwürdig-behutsame Überführung dessen, andererseits eine unterhaltsame Hommage daran war.

Nämlich zum einen durch die Shakespeares Sommernachtstraum adaptierenden Zwischentexte Isaline Claeys‘, die über deutliche Anlehnungen der Stadtflucht-Poesie des Expressionismus‘, dezentere Klimaängste und über feministische wie barocke Esoterik ein über das ursprüngliche Libretto hinaus parforcerittüberblickendes, persönliches Bild von Zerrissenheit und Einflüssen heutiger, (realitäts-)bewusster und unterbewusster Gefühlsgemengelagen in der steten Sehnsucht nach dem liebenden, behaglichen Guten der Glückseligkeit boten. Und die Schauspieler Simon Robson, der bereits bei Vox Luminis‘ King Arthur-Produktion an Bord war, mit rhetorischer Autorität, theatralischer Empathie und impulsiver Nachdenklichkeit vortrug. Dabei bediente er den projektorischen Schaukasten der Shakespeares Feenreich visuell unterstützenden Naturwelt, die zum anderen Emilie Lauwers durch handgemachte Schablonen für ihr Schattenspiel herstellte, welche wiederum mit weiteren Exemplaren der Flora und Fauna bewohnenden Wesen (und im fünften Akt Purcells tanzenden Affen) und Unterstützung des Videokünstlers Mário Melo Costa auf der Leinwand hinter dem Orchester ein perspektivistisches Eigenleben entwickelten.
Der Vox-Luminis-Chor versteckte sich dahinter und kam, wie die Elfen aus dem schwarzgrünen Gebüsch der Athener Nacht, mit dem Betritt der Podeste hervor, um die akustischen Reizfluten Purcells Lieder und – dann vermehrt zum Publikum gewandt – grüßlichen Hymnen in traumversprechender Verkörperung mit textnatürlicher Bewandtnis, vor allem homogener Vollmundigkeit warm, mitfühlend, erwartungsfroh und schlagkräftig auszudrücken. Einzig Lionel Meunier war immer sichtbar auf der Bühne, selbst wenn er versuchte, sich hinter dem Trio aus zwei Oboen und Taille so unsichtbar wie möglich zu machen. Er spielte schließlich zusätzlich zu den vokalen Tuttieinsätzen Soprano-, Alto- und Voiceflute, die seine Rohrblattkollegen Benoît Laurent und Armin Köbler mit Sopran-, Alt- und Bassblockflöte zum Trio komplettierten.
Die übrigen beiden Bläser – neben dem zur Bassgruppe zählenden Fagott –, die Trompeter Moritz Görg und Björn Kadenbach, stellten sich antiphon auf die Erhebungen der Chorbretter, um dort in tonlich noch erhabenerer, selten derart sauber vernommener Brillanz die Symphonies und Musickes – sowie Görg solistisch in Songs – die Sterne vom Himmel zu holen. Ihnen bei stand Koen Plaetincks, einmal auch an die Sänger Helene Erben und Jan Kullmann übertragenes, unnachahmliches Schlagwerk aus – eigentlich auch verratzten Hymen – jeden Schlaf unmöglich machenden Pauken, folkloristisch Hautfeld und Holzkranz nutzender Handtrommel, Tambourin, Triangel und Glöckchen, das genauso rhythmisch-unterhaltsames oder atmosphärisches Epizentrum war wie dasjenige aus Anthony Romaniuks Claviorganum, Ronan Kernoas Basse de violon und den Lauten Simon Linnés und Justin Glaies.
Romaniuk oblag zusammen mit Konzertmeister Tuomo Suni die praktische musikalische Leitung Vox Luminis‘, deren Streicher, zu denen auch ein sehr streng genommen purcellfremder Violone gehörte, die französische Sehnigkeit und vornehme Lieblichkeit englischer Musik ebenso wie das freudig-hüpfende, lebendige Tänzerische in zauberhafte, farblich und dynamisch changierende Reinheit sowie abgestimmte Balance zu gießen verstanden. Lautmalerisch hob das Ensemble diese auf, als Lóránt Najbauer (im dritten Akt verlangender Coridon) als Drunken Poet den Reigen der Figuren mächtig eröffnete, dem die ersten Fairies Viola Blache und Gwendoline Blondeel mit zärtlicher Piesackslust begegneten, nachdem Carine Tinney und Marcus Farnsworth die solistische Einstimmung gegeben hatten. Besonders diese beiden, Tinney und Farnsworth, sollten die vokalen Glanzpunkte setzen, stattete der Sopran seine weiteren unterschiedlichen Rollen mit einer registerlichen Ausgewogenheit sowie Phrasierungs- und Dynamikgewandtheit, der Bariton seine mit lichter, süßer Geschmeidigkeit, final Rigorosität aus, die allseits geradezu prädestiniert für Purcell und dessen Stilistik sind.
Aber auch Blache, die mit ihrer entwaffnenden Stärke aus herzenswarmer, knospiger Puristik Magie verströmte, wusste sehr zu gefallen, wie ebenfalls, leicht leuchtender, Blondeel, zurückhaltend charmant Erika Tandiono, zufrieden und mutig beseelt Kullmann, inbrünstig, hingebungsvoll, mit einbringender Farbigkeit Hugo Hymas und, als Vox Luminis‘ vokale Bank noch umfassenderer Gesamtartikulationskompaktheit, Sebastian Myrus. Zwar waren bei ansonsten anmutig-luftigem High Tenor Vojtěch Semerád, Kieran White als zierend strengerer Mopsa und hellerer Chinese Man oder etwas starreren Rory Carver (Phoebus) und Zsuzsi Tóth (The Plaint) kleinere Eintrübungen zu vernehmen, doch setzte sich fest, dass die Ensembleleistung beeindruckte. Eine, die als „feenomenal“ in nicht nur flüchtiger Erinnerung bleiben wird.