Gemäß antiker Vier-Elemente-Lehre bilden Feuer, Wasser, Luft und Erde die sogenannten Grundbausteine der Welt. Nach intensiverer Beschäftigung mit dieser philosophischen Theorie im Mittelalter flammte das Interesse an ihr in den wissenschaftsprägenden, unser Denken teils revolutionär neu ordnenden Ären von Renaissance und Barock wieder auf, als die Zahl Vier mit damals bekannten Kontinenten, den Himmelsrichtungen, den Jahreszeiten und Mondphasen von zentraler Bedeutung war. Selbiges gilt für die Sieben mit dieser Anzahl an Tönen der Diatonikleiter und seinerzeit sieben entdeckten Planeten, zu denen Sonne und Mond zählten. Malende und bildende Künstler säumten dazu Wände, Schlösser und Gärten mit ihren Werken; forschende, dichtende und komponierende Gelehrte füllten die Bibliotheken – und den Himmelskörpern waren barocke, im doppelten Sinne vermessende Feste mit königlich-göttlicher Symbolik gewidmet.

Friederike Heumann, Dirk Börner und Pablo Valetti © Augsburger Domsingknaben | Lukas Mägele
Friederike Heumann, Dirk Börner und Pablo Valetti
© Augsburger Domsingknaben | Lukas Mägele

Als einer unter ihnen beschäftigte sich auch Komponisten-Fixstern Dietrich Buxtehude mit den Berechnungen und Darstellungen des Universums, die er beispielsweise in je sieben Triosonaten zu sieben Tonarten in seinen Ende des 17. Jahrhunderts herausgegebenen Op.1 und Op.2 verwandelte. Der Legende nach, als er stets zur astronomischen Uhr blickte, die seine Lübecker Marienkirche schmückte. Planetenmusik, gehalten im Stylus Phantasticus, der es ermöglichte, seine Ideen freier als zuvor für harmonische Umlaufbahnen rotieren zu lassen – quasi Ordnung der Unordnung bei der Neuvermessung des musikalischen Orbits. Nach dem Stil benanntes Ensemble Friederike Heumanns stellte natürlich sieben, also sechs Sonaten zuzüglich einer Cembalo-Improvisation in C aus Material des Op. 1, in der diesjährigen Residenzwoche München der Bayerischen Schlösserverwaltung vor, die unter dem Motto „Hoch hinaus“ nebenbei dem 200. Doppeljubiläum der beiden ersten bayerischen Könige gedachte und bei der die Gambistin künstlerische Co-Leiterin des inzident angelegten Musikfestivals unter Trägerschaft der Augsburger Domsingknaben ist.

Hatte die Gruppe wiederum einen kleinen Auszug dieser exemplarischen Buxtehude-Schätze schon vor über zwanzig Jahren mit einer Aufnahme und Konzerten bedacht, fuhr sie ihr musikalisches Teleskop nun gebündelt aus auf die Sonaten, die sie in der Programmdramaturgie themengetreu und am Tonartencharakter orientiert von E bis d aufsteigen ließ. Auch interpretatorisch ging es dabei spürbar aufwärts, suchte die Rhythmik aufgrund etwas widerborstiger Cembalokondition bis zum Poco presto der Sonata VI/2 BuxWV 264 noch ein wenig nach Halt und Bahn. Auf diese gelangte das Ensemble schließlich mit deren behändem Allegro, das fortan Anknüpfungspunkt wurde für die muntere, stilistische und intonatorische Sicherheit. Sowie die bogenphrasierende, sinnliche Präsenz Pablo Valettis Geigen-Obertons und Heumanns basslichen Gamben-Counterparts, die zum einen im Einklang stand mit dem warmen Deckengelb beziehungsweise dem Weltall-Dunkel des Türmantels des Schwarzen Saals der Residenz, zum anderen die leittonlichen Harmoniekreise der kontrastierenden langsamen Sätze bestimmend akzentuierte.

Zudem kam mit der Sonata VII/2 BuxWV 265 eine stärkere Dynamik ins Spiel, die die Kontraste innerhalb der Sätze hob und bei aller Leichtigkeit mehr Klangmasse der Streicher generierte. Damit erfüllte Stylus Phantasticus schließlich bei kräftigem Cembalo in volumenbetrachtender Sicht eine ausgleichend kosmische Trio-Balance, die sich ab dem einnehmendem g-Moll der Sonata III/2 BuxWV 261 von kunstvollerer, überraschenderer Seite zeigte. Gleichzeitig baute sich mehr Körper für die Affekte, die in jener Tonart theatralischer anmuten und so auch vom Ensemble in intensiv-eleganter Impulsivität herausgelassen wurden. Zentral das a-Moll der Sonata III/1 BuxWV 254, das neben konturscharfen, rasanten Elementen zur Unterstreichung der Interaktionsfreude der Gruppe die filigrane Sensibilität bereithielt, um himbeerroten Nebel zu verbildlichen. Durch ihn stieß nämlich zuerst verspielt-befreite Sonata IV/1 BuxWV 255 in B-Dur, dann Dirk Börners notwendigerweise trotzige, im Effekt aber prächtige, fulminante Toccata-Improvisation in C für Cembalo mit leuchtender, formvollendeter Schlussfuga.

In himmelsversprechender, griffig distinguierter, kalkulierter Fügung des von unterbrochenen Läufen existenziellen d-Moll der Sonata VI/1 BuxWV 257 endete letztlich dieser Blick nach oben, der Buxtehude und Stylus Phantasticus ins ehrende rechte Licht auf unserer Erde rückte.

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