Robin und Super Mario beobachten eifersüchtig ein paar ungeschickte Annäherungsversuche zwischen Batman und Superwoman, bis der Joker in Begleitung einer weiteren Superwoman kommt. Verheiratet ist der Joker allerdings mit einer dritten Superwoman, die sich später zum Schwipslied (der textierten Annen-Polka) einen Joint genehmigen wird. Klingt originell – ist aber bei weitem nicht so komisch und unterhaltsam, wie es der Anlass gebietet: Mit Eine Nacht in Venedig feierte die Volksoper zwar auf den Tag genau den 200. Geburtstag von Johann Strauß, „ad multos annos“ hat sich aber angesichts der skurrilen Marvel- (und DC Universe-)Maskerade wohl kaum jemand gedacht, und auch musikalisch blieb vieles unter den Erwartungen.

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Nicolaus Hagg (Stefano Barbaruccio), Marco Di Sapia (Delacqua), Ursula Pfitzner (Giorgia Testaccio)
© Marco Sommer | Volksoper Wien

Unbestritten ist, dass bereits das originale Libretto kein Geniestreich war, und sich die Handlung auf Verkleidungs- und Verwechslungsklamauk beschränkt. Die mit bekannten und vorhersehbaren Witzchen gespickte Neufassung der Dialoge von Fabian Pfleger ist allerdings kein großer Fortschritt, weil Belanglosigkeiten nur durch andere Belanglosigkeiten ersetzt werden. Diese kann man sich mit Eskapismus von tristen Zeiten auch nicht schönreden, und so wälzt sich der Abend träge dahin, obwohl oberflächlich Tempo gemacht wird und Regisseurin Nina Spijkers ihr Personal öfters quietschend und schreiend über die Bühne laufen lässt.

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Johanna Arrouas (Annina)
© Marco Sommer | Volksoper Wien

Letztere wird dominiert von einer weißen, an ein Aufklappbilderbuch erinnernden Arkaden- und Treppenkonstruktion, deren Drehtüren die schnellen Auf- und Abtritte effizient bewältigen lassen. Vor diesem Hintergrund erscheint der Chor anfangs in einer Aufmachung, die an eine aufgehübschte Version von Les Misérables denken lässt, bevor Jorine van Beek eine kunterbunte Kostümparade über die Rampe schickt. Diese ist eine Mischung aus dem halben Superhelden-Universum, Fantasiekreationen und prominenten Figuren (der fast schon obligate Borat, Frida Kahlo, Marilyn Monroe, Elvis…) und bringt Farbe in die blasse Geschichte. Wenn das Fischermädchen Annina ihre „Frutti di Mare“ anpreist, dürfen sogar tanzende Fische und Hummer auf die Bühne, wobei die Fischkostüme so angelegt sind, dass die badebehosten Popos der darin steckenden Menschen zu sehen sind. Daher ist es nur konsequent, dass Popowackler auch für Florian Hurlers faschingsgildeninspirierte Choreographie stilbildend sind.

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Juliette Khalil (Ciboletta) und David Kerber (Caramello)
© Marco Sommer | Volksoper Wien

Interessant wird es nur stellenweise und eher dort, wo Spijkers gängige Erwartungen bewusst gegen den Strich bürstet. Bei ihr wird Ursula Pfitzner optisch zum Senator, auch wenn diese im Programmheft „Senatorin Testaccio“ heißt. Diese Senatorin steht politisch rechts und feiert den Fasching mit einer „Make Venezia Great Again“-Kappe, während sich der politisch linke Senator, dargestellt von Nikolaus Hagg, als Greta Thunberg ins Karnevalstreiben stürzt. In diesem Zusammenhang darf man auch darüber nachdenken, warum sich ausgerechnet der Politiker der Mitte, Senator Delacqua, als Joker bzw. personifizierter Irrsinn kostümiert.

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David Kerber (Caramello) und Jakob Semotan (Pappacoda)
© Marco Sommer | Volksoper Wien

Dass dessen Frau, die von Fürst Urbino begehrte Barbara, als reifere Lady gezeigt wird, ist ein besser geglückter Klischeebruch als jener, den Weiberhelden zum Schüchti zu erklären, und den Batman-Herzog das Anbraten seiner Angebeteten mit den Bediensteten zu üben zu lassen. Dazu hätte es nämlich einen souveränen Darsteller gebraucht, doch überzeugte Lucian Krasznec als Fürst Urbino/Batman weder darstellerisch, noch sängerisch: Die Einlage „Sei mir gegrüßt, du holdes Venezia“, hatte weder Schmelz noch Charme, obwohl er da noch mit gepuderter Perücke und Fürstenmontur unterwegs war und die Aufgabe schlicht „Operettentenor“ hieß. Wenig besser David Kerber als Caramello/Robin mit „Komm in die Gondel“, bei dem die Stimme auf dem Atem wie die Gondel auf dem Wasser gleiten müsste.

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Lucian Krasznec (Guido, Herzog von Urbino), Johanna Arrouas (Annina), David Kerber (Caramello)
© Marco Sommer | Volksoper Wien

Wenn man stattdessen mit Tenören zu tun hat, die sich von einem Ton zum nächsten hanteln, wäre man als Dirigent gut beraten, das Tempo ein wenig anzuziehen, um die Schwächen nicht auch noch zu exponieren. Es passierte aber eher das Gegenteil, wobei am Dirigat des ansonsten verlässlichen Alexander Joel die flotteren Nummern generell besser gefielen. Speziell bei den fließenden Rhythmus- und Tempowechseln (wie etwa in der Ouvertüre) ist aber noch deutlich Luft nach oben.

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Carin Filipčić (Agricola), Ulrike Steinsky (Barbara), Martina Dorak (Constantia)
© Marco Sommer | Volksoper Wien

Unter diesen Bedingungen mühte sich auch der Rest der Beteiligten. Johanna Arrouas, eine bewährte Kraft am Haus, ist eine kompetente Annina, wie auch Juliette Khalil als schrill quietschende Ciboletta. Ulrike Steinsky als die vom Fürsten begehrte Barbara braucht man nicht lange vorstellen; sie alle haben Erfahrung und Bühnenpräsenz. Von der Regie eher stiefmütterlich behandelt wurden Hausdebütantin Carin Filipčić und die stets verlässliche Martina Dorak, die im Kuh-Kostüm samt Schweizer Flagge bewusst bemühtes Schweizerisch intonieren musste. Als Senatorengattinnen stachen sie aus ihrer Karneval-Mädelsrunde (darunter ein weiblicher Kardinal) jedenfalls kaum hervor, und auch Jakob Semotan (Pappacoda) konnte sein komisches Talent in der Super-Mario-Verkleidung nicht wie gewohnt zur Geltung bringen.

Jakob Semotan (Pappacoda), Juliette Khalil (Ciboletta), Marco Di Sapia (Bartolomeo Delacqua) © Marco Sommer | Volksoper Wien
Jakob Semotan (Pappacoda), Juliette Khalil (Ciboletta), Marco Di Sapia (Bartolomeo Delacqua)
© Marco Sommer | Volksoper Wien

Vielleicht ist es der großen Anzahl der bekannten Ensemblemitglieder geschuldet, dass der Abend wohlwollender als erwartet angenommen wurde, und vielleicht gibt ja es im Wiener Operettenpublikum mittlerweile mehr Superhelden-Fans als gedacht. Möglicherweise erlebte man in der Nacht vom Strauß-Geburtstag auf den Nationalfeiertag aber einfach nur ein Beispiel einer typisch österreichischen Lösung: Es gab höflichen Applaus und kaum Buhs, ein Großteil des Publikums suchte dennoch rasch das Weite.

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