Als Graf von Promnitz Georg Philipp Telemann 1704/05 an seinen Hof nach Sorau lockte, lobte er seinen erwünschten Kapellmeister als würdigsten Vertreter des Versailles eines Campra oder Lully. Vor allem eines Lully, prägte der französische Stil den jungen Telemann doch sein ganzes Komponistenleben. Ausfluss dessen sind die zahlreichen Ouvertüren oder Suiten, selbst wenn Telemann natürlich auch die anderen europäischen Musiksprachen zu einem eigenen „vermischten Stil“ hochhielt und in Deutschland auf das angesehenste Schild seiner Zeit hob. Vor ihm tat das im bürgerlich-prosperierenden Hamburg unter anderem der Leiter der dortigen Ratsmusik, Diedrich Becker, der aus Dank zur Ernennung die Musikalischen Frühlingsfrüchte zu Papier brachte. Sein Kollege im Süden des heutigen Deutschlands, genauer der Erzdiözese München-Freising, war Rupert Ignaz Mayr, dessen Phytagorische Schmids-Fuencklein seine bekannteste Orchestersuite-Komposition darstellt. Die Telemann-Verfechter des Den Haager Ensembles New Collegium verbanden sie in einem im April für die Digitalausgabe des nun stattfindenden Festival Oude Muziek Utrecht aufgezeichneten Konzerts.

Heraus kam dabei ein wahrlich farbiges und – auch beim Telemann durch die antiphone Aufstellung begünstigt – kompaktes, balanciert-ausdifferenziertes Bouquet an Tanzsätzen und somit gesellschaftlich wie künstlerisch multisprachlich versiertes Abbild des damaligen kulturbeflissenen Deutschlands. Große Akkuratesse äußerte sich bei New Collegium in der La Musette-Ouverture, zu der im schnelleren Gleichschritt ebenfalls das für den Tanz so wichtige Paar an Beschwingtheit und Dynamik stieß. Die rhythmische Ausprägung dessen und die unterhaltsam und unkandidelt-seriös, also gleichzeitig locker wie spielerisch-straff, zur Schau gestellten Einflüsse vollzogen sich individuell offensichtlicherer Weise in den die Suiten stets ausmachenden Tänzen, zunächst einer charakterlich, mit agogischem Vorhalt und weiterer dynamischer Impulse aufgetischten „Napolitaine“. Ihr folgten in ihren sanften Kontrasten die klassischen, höfisch-galanten Menuets, die Inês d'Avena in royal würdiger Anmut an der Sopranblockflöte beziehungsweise wunderbar phrasierte Streicher einbrachten. Die titelgebende „Musette“ huschte in typisch folkloristisch rustikaler Manier durch, wobei das Ensemble das Künststück gelang, sich – wie bei der bei Telemann berüchtigt (be)rauschend-brausenden „Harlequinade“ – durchaus eine auszeichnende Eleganz zu bewahren.

Für die vierstimmige, frühbarocke Suite Beckers arrangierte sich das Orchester stimmig solistisch wie auch neu, als Hen Goldsobel seinen Kontrabass gegen den Basse de Violon eintauschte, um mit den Continuo-Partnern um Leiter Claudio Ribeiro (Cembalo) und Cellistin Nina Hitz die Schönheit der vielfältig unterteilten „Sonata“ zu vervollständigen, die die einfühlsamen Violinen Sara De Corsos und Cynthia Freivogels sowie die Bratsche John Mas in erlebnisgestaltender Lebendigkeit bestrichen. Sie verlangte in ihrer geschmacklichen, rhythmischen, wohltönenden Abwechslung bereits nach mehr – und New Collegium tat den Gefallen, diesen verlockenden Korb mit den genussvoll zelebrierten Früchten der Tiefe und Würze abstrahlenden „Allmand“, der leichtgängig und griffigen „Courant“, der ausgiebig körperlich vorstellbaren „Saraband“ und letztlich der funkenreich-spritzigen „Gigue“ zu bestücken.

Überaus ansprechend und deliziös reichte man in selbiger Besetzung Mayrs Programm aus „Sonatina“ und erfrischender „Spagniola“ dar, nach der in konzentriert-respektvoller wie flotter, köstlicher Art „Courante“, „Menuet“, „Bourée“, „Ritirata“ und „Gigue“ im Stile eines fingereffekt- und geografisch-malender Gusto beherrschenden Biber oder Schmelzer folgten. Von Reife und Ausgewogenheit durchzogen war die gleichsam mit einer traditionellen, ausgelassenen „Gigue“ abgerundeten zweite Telemann-Ouverture aus der – auch die Musette entnommene – Sammlung von 1736. Für abermaliges „Menuet I & II“ nahm Isabel Favilla anstelle des zuvor gespielten Fagotts die Blockflöte zu Hand und Mund, mit der sie d'Avena im Sopran leichtfüßig doppelte und am Alt-Instrument – unterbrochen von etwas zünftiger artikulierten wuselig-quirligen „Rondeau“ und „Passepied“ – nicht wegen beider portugiesischen Muttersprache, sondern der passionierten Melancholie in der „Plainte“ Fado-Qualität angedeihen ließ. Fast kantatenartig wirkte noch die melodische Tröstlichkeit der verlässlich Happy-End-Duktus versprühenden „Chaconne“, die Blockflöten und das ganze Ensemble von New Collegium zu wertigster Auslese des Erfolgs der Komponisten und ihres eigenen abschmeckten.

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