Nach 18 erfolgreichen Jahren als Chefdirigent des Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia ist es Zeit Abschied zu nehmen. Sir Antonio Pappano und seine aus Rom angereisten „Italiener” — wie das Orchester mit dem langen Namen liebevoll bezeichnet wird — gastierten zum letzten Mal gemeinsam in der Alten Oper Frankfurt. Mit einem bunt gemischten Programm deutscher Komponisten und zahlreicher Zugaben zeigten sie sich auf dem Zenit ihres Könnens.

Um Franz Schuberts Symphonie in h-Moll, die Unvollendete, einem Werk höchster Ingeniosität und wohl einem der beliebtesten Symphonien überhaupt, ranken sich viele Mythen und Rätsel. Wie die Musikwissenschaftlerin Dr. Ulrike Kienzle in ihrem schon zur Institution und festen Bestandteil der Konzertabende in der Alten Oper gewordenem Einführungsseminar eindrucksvoll darlegte, gibt es einige mehr oder weniger plausible Erklärungsansätze. Schubert komponierte nur die zwei ersten Sätze und ein paar Takte des dritten Satzes – warum er die Symphonie nicht abschloss, ist bis heute unklar. Dass das Werk heute musikdramaturgisch im Sinne der frühen Romantik als Fragment durchaus als vollendet gelten kann, bewies auch das Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia. Die sogartige Melancholie einer nachtschwarzen Romantik des ersten Satzes ließ die Biographie und traurigen Lebensumstände Schuberts spürbar werden. Pappanos leere, aus einer unnahbaren Tiefe sich im großen Bogen entwickelten Celli-Läufe fielen immer wieder als Lamento zurück. Sie standen im scharfen Kontrast zu dem sich kraftvoll entwickelndem Thema der Holzbläser. Den saftig facettenreichen, gar trügerische Hoffnung versprühenden Klang der Violinen ließ Pappano keinen Bestand haben.
Das Werk wurde eingerahmt von Beethovens Drittem Klavierkonzert in c-Moll, mit Igor Levit als Solisten, der eine langjährige, zugleich musikalisch fruchtbare Partnerschaft mit Pappano pflegt. Levits überaus raffinierte, verspielte und im steten Wechselspiel, ja in Konversation mit den Streichern des römischen Orchesters stehende Interpretation, mutete überaus feinsinnig, teils improvisatorisch frei an. Levit weiß sich als Künstler immer neu zu erfinden. Ständig hinterfragt er seinen Zugang zu Beethoven und behält so eine gewisse notwendige Distanz zum Werk bei.
Was jedoch auf diese zutiefst erschütternde und aufrüttelnde Unvollendete folgte, bewegte sich in einem Versuch, den dritten Satz als Scherzo oder vielmehr als schlechten Scherz weiterzuerzählen. Immerhin füllte sich für diese letzte Viertelstunde des Konzerts der Orchesterapparat in großer, spätromantischer Besetzung. Richard Strauss' Tondichtung Till Eulenspiegels lustige Streiche ist wahrlich nicht die ersehnte Fortsetzung zu Schuberts Totenklage. Dennoch wusste Pappanos musikalische Lesart der Tondichtung ebenso komplex wie niveauvoll an Schubert anzuknüpfen. „Es war einmal“ zeichnete der Dirigent die Geschichte des Narren in farbenfroh-effektvollen Klangbildern nach. In Tills Gassenhauern, dem überzogensten und schrägsten Abschnitt der Komposition, tangierte sein Orchester gar die Schwelle zur Farce, gleichwohl ohne diese zu überschreiten. Die kolorierten Akzente der Holzbläser schlugen überaus leichte Töne an, während in markerschütternden, energiegeladenen Paukenschlägen Pappano ein makabres Ende seines Narren skizzierte; der schlussendlich erbarmungslos am Galgen hängt.
Genauso wie Tills Schelmengeist im Epilog nicht unterzukriegen war, wird Sir Antonio Pappano auch in Zukunft an die Alte Oper Frankfurt zurückkehren, dann jedoch in seiner neuen Position als Chief Conductor des London Symphony Orchestra. Die „Italiener” wollten ihren scheidenden, nun als Music Director Emeritus bezeichneten Dirigenten, nicht gehen lassen. Sie dankten dem Frankfurter Publikum mit einer fein gewebten Zugabe aus der Heimat, Ottorino Respighis Italiana sowie einem schwungvollen Ungarischen Tanz von Johannes Brahms.