Das zweite Konzert der Festival Academy Budapest begann mit einem der letzten Kammermusikwerke von Schubert, der Fantasie in C-Dur, gespielt von Vilde Frang und José Gallardo. Es ist dies ein Werk, das im Konzertsaal selten auftaucht, und diese Aufführung machte klar, warum. Die technischen Anforderungen sind beträchtlich: wie bei der Wanderer-Fantasie nahm der Komponist keinerlei Rücksicht mehr auf die Spielbarkeit. Die Rahmenteile sind gefüllt mit ein- oder zweihändigen pp-Tremoli auf dem Flügel, in welche sich die Violine unmerklich einschleicht. Vilde Frang tat dies unerhört zart, mit unauffälligem Vibrato, und dabei mit einer Souveränität und Intonationssicherheit, die ihresgleichen suchen, selbst bei den feinsten Pfeiftönen in allerhöchsten Höhen. Das Werk zog einen von den allerersten Takten an in ihren Bann: ätherische, himmlisch anrührende Musik, die jetzt keines poetischen „Programms“ mehr bedarf – ein Meisterwerk, zumal wenn es so gekonnt gespielt wird. Das gilt auch für den Pianisten, der seinen Part sehr aktiv gestaltete (erst gegen Ende unterliefen ihm vereinzelt kleinere Missgeschicke). Die Interpretation war insgesamt so lebendig, gar packend, dass einem das Bonmot von Schuberts „himmlischen Längen“ nie in den Sinn kam.
Die Schwierigkeit der Fantasie liegt in der akustischen Balance mit modernen Instrumenten. Es ist mir unverständlich, warum der Steinway D nicht zumindest halb geschlossen wurde: die umrahmenden Tremoli und die virtuosen Läufe in den zentralen Teilen sind auf dem Konzertflügel unmöglich leiser zu realisieren. Würde anderseits die Violine den Ton forcieren, ginge der Charakter, die Zartheit des Werks verloren. Für eine Aufnahme kann der Akustiker dies elektronisch korrigieren, im Konzert sehe ich allerdings als einzige Lösung die Verwendung eines historischen Fortepianos, dessen singende Qualitäten und farbenreicher Ton das Werk zusätzlich bereichern würden. Schade, so sehr es ein Vergnügen war, dem Pianisten zuzuhören: der Klavierpart war zu erdrückend.
Es folgten die Nummern 1–4, 6, 8, 10, und 14–16 aus Énekszó, einem Zyklus von 16 meist kurzen, ungarischen Volksliedern, dem Op.1 von Kodály. Hier sang wie schon am Vorabend die Mezzosopranistin Ildikó Komlósi, diesmal (wiederum kompetent) begleitet von József Balog am Flügel. Die Lieder sind sehr lebendig, teils dramatisch, aber allesamt weniger tiefgründig und komplex als typische deutsche Kunstlieder. Das Vibrato der Sängerin war über Nacht nicht weniger geworden, passte jedoch zur Natur dieser Kompositionen: abgesehen von der helleren Sprachfärbung erinnerte mich vieles an Vorträge von Liedern russischer Komponisten.
Nach der Pause erhielten wir eine Überraschung: der Obertonsänger Gareth Lubbe präsentierte eine Eigenkomposition für seine „zwei Stimmen“, vom Cellisten László Fenyö einfühlsam zum Trio ergänzt – eine erstaunliche Kunst und Fähigkeit, die Kopfresonanzen so zu verstärken, dass sie den Grundton oft gar übertönen, dabei virtuose Naturtonmelodien bilden!