Was Humor in der Musik bedeutet, lässt sich an Verdis Falstaff lernen. Ist Arrigo Boitos Libretto allein schon witzig genug, so setzt Verdi mit seiner Musik der Komik erst die wahren Glanzlichter auf: voll gespickt mit Klangmalerei, ironischen Volten, musikmotorischer Szenenbegleitung, karikierenden Kommentaren, paradoxen Instrumentalfarben und nicht zuletzt der grotesken Schlussfuge entsteht vor allem musikalisch diese ganz besondere Opera buffa – wie es eine bis dahin noch nicht gab. Das geniale Abschiedsgeschenk des fast achtzigjährigen Verdi an die Musikwelt.

Daniele Gatti hat es sich für seine erste Premiere als Chefdirigent an der Semperoper ausgesucht und dabei die musikalischen Schätze der Partitur in selten gehörter Souveränität gehoben. Da klingelt das Geld im Beutel, wenn der eifersüchtige Ford sich ausgerechnet Falstaff kauft, um die Treue seiner Frau zu erproben oder die schlitzohrigen Diener des Ritters dessen Zechprahlereien mit einem schrägen Amen quittieren. In gestochen präzisem Staccato kommen die Achtelskalen der hektischen Such- und Verfolgungsszenen oder das schadenfrohe Geplapper der Frauen, wenn sie ihren Racheplan gegen Falstaff aushecken. Markante Hornstöße karikieren den gehörnten Ford und Mrs. Quickly's „Reverenza” trieft geradezu vor gespielter Höflichkeit. Gatti holt aus der Partitur auch wirklich jedes Detail plastisch heraus und es wird klangschön ausmusiziert.
Phenomenal gelingen die nahtlosen Übergänge der musikalischen Pulsschläge, wenn die Lebendigkeit der komödiantischen Intrigen von der lyrischen Innigkeit der beiden echt Verliebten Fenton und Nannetta abrupt angehalten wird. Hier breitet Gatti im Orchester einen herrlich sonoren Klangteppich aus und lässt den beiden Sängern wunderbar Raum für die einzigen Ruhepunkte der Oper. Mehrfach darf Juan Francisco Gatell seinen strahlend jugendlichen Tenor für seine Liebeserklärungen verschwenden und Rosalia Cid kann als verkleidete Elfenkönigin wahrhaft bezaubernd mit ihrem Lied verführen.
Überhaupt wird an diesem Abend in allen Rollen phantastisch gut gesungen – und gespielt! Allen voran singt und agiert Nicola Alaimo als wahrer Musikkomödiant und ist ein Falstaff ganz mit eigener Körperfülle. Stimmlich enorm wandlungsfähig drückt er auch in der Körpersprache die ganze Vielseitigkeit dieser Figur aus: enorme Großspurigkeit ebenso wie leise Selbstironie, verhaltene Zärtlichkeit ebenso wie laute Empörung, mächtigen Stolz genauso wie tiefe Niedergeschlagenheit. Und Alaimo ließ diese Facetten seiner Rolle immer wieder zwischen Ironie und Ernst changieren. Schlank setzte er seinen Bariton ein, auch im Falsett und flüsternd, wenn Falstaff seine erotische Ausstrahlung zur Schau stellt. Gehörig donnernd waren seine Flüche über die böse Welt und ihren vermeintlich heuchlerischen Begriff von Ehre. Es war eine Lust, ihm zuzusehen und zuzuhören.
Wunderbar sang Eleonora Buratto als Alice Ford. Belcantistisch weich, als sei es von Puccini komponiert, las sie verzückt den Brief mit Falstaffs Schmeicheleien den anderen Frauen vor und mit verschmitztem Charme spielte sie ihm die ehrbare Bürgersfrau vor, nachdem sie ihn, ausgestreckt auf dem Doppelbett, gnädig zum Rendezvous empfangen hatte. Urkomisch in ihrer ironischen Verstellung war Marie-Nicole Lemieux als Mrs. Quickly und landete äußerst erfolgreich bei Falstaff mit ihrer Lügengeschichte. Die Szene ihrer Audienz beim adligen Ritter war ein schauspielerisches Glanzstück. Die subtile Personenregie ermöglichte auch den Darstellerinnen und Darstellern der weiteren Rollen einen hohen Grad an Bühnenpräsenz: Nicole Chirka als Meg, Didier Pieri als Cajus und den beiden Spießgesellen Bardolfo (Simeon Esper) und Pistola (Marco Spotti).
Das szenische Setting von Damiano Michieletto, Paolo Fantin und Agathe MacQueen soll uns in die Welt des Showbizz versetzen, in der Falstaff als Sir John wohl schon vor längerer Zeit mit seiner E-Gitarre herumgetingelt war. Doch nun ist seine beste Zeit vorbei, nur noch ein altes Plakat von früher kündet von seinen Erfolgen. Und eine Schallplatte seiner Glanzzeit hat er auch noch zu verschenken. Ein abgehalfterter Popstar – so ganz abwegig ist das für diese Figur eigentlich nicht. Aber es bringt auch keinen weiteren Erkenntnisgewinn, zumal die überaus karge Bühne, die hauptsächlich aus sich nichtssagend bewegenden Säulen besteht, keine große Ausstrahlung entfaltet. Die Zauberwaldszene ist als Revuenummer arrangiert; mit ausladenden Federkostümen für die Damen. Aber ob beim Spuk der Geister die versammelten Altersheimbewohner Falstaff so richtig zu piesacken vermögen, ist eigentlich nicht recht ersichtlich. Nicht mehr als ein Gag bleibt auch, dass Fastaff am Ende des zweiten Akts nicht im Waschkorb in die Themse gekippt, sondern von oben aus einem Container mit leeren Bierdosen zugeschüttet wird. Alles nicht ganz neu und im Vergleich zur subtil austarierten musikalischen Gestaltung auch leider etwas platt.

