Wenn in der heuer aufgespielten Zeit der Barockperiode selbst bei großflächig und selbstverständlich Einzug gehalten habenden historischen Instrumenten das Psalterium immer noch eine Besonderheit ist, stellt das untergegangene Pantaleon eine derart große Rarität dar, dass der Konzertgänger damit noch nicht in Berührung gekommen ist. Das blieb zwar streng genommen auch bei Holland Baroques Zusammenarbeit mit Spezialistin Franziska Fleischanderl so, als keine Rekonstruktion gespielt wurde; doch bei wem sonst als ihnen konnte man in hiesigen Gefilden überhaupt mit der Welt des Pantaleon als Concerto-Protagonist Bekanntschaft machen?!

Dem Instrument, das sich um 1690 aus dem Hackbrett in ein doppelresonanzbödiges, chor- und oktavumfänglicheres Großmodell entwickelte, aus dem wiederum später das Hammerklavier entspringen sollte. Nicht von ungefähr kommt daher generell der besondere Klang des – genauer gesagt – ausgänglichen Dulce Melos‘ in geschlagener Technik (battuto) als cembalo- oder bei entsprechender Schlägelkopfummantelung schon als pianoforteähnlich, wenn es nicht in seiner individuellen Zupfvariation (Plektron/Finger) wieder harfen-, lauten, cymbal- oder dezent carillongleich ertönt. Erfinder des Geräts war Pantaleon Hebenstreit, der es laut Johann Mattheson unter anderem auch Ludwig XIV. vorgestellt haben soll, woraufhin dieser es auf den Namen des geistigen Urhebers taufte. Ehe es zum Patentprozess und Hebenstreits Eigenbau kam, hatte es berüchtigter Gottfried Silbermann gefertigt und mit dem Spieler und Lehrer Nummer eins bis nach Wien verbreitet.
So wie Holland Baroque mit den Arrangements und der Entdeckerlust seiner Leiterinnen Judith und Tineke Steenbrink sowie dem Einsatz, der untersuchenden Pionierleistung und Leidenschaft von Fleischanderl das heurig musikalisch Vergessene und damalig wie nun Interessante aufs Podest heben, war in Zeiten des Pantaleon ein Komponistenname dafür prädestiniert: Georg Philipp Telemann. Er war ab 1709 in Eisenach Hebenstreits Kapellmeister und rühmte ihn und sein neues Instrument sehr, nachdem sich der tänzelnde Tüftler aus Sachsen-Anhalt (Hebenstreit) beim Berliner Geiger Jean-Baptiste Volumier, der seinerseits Hackbrett lernen wollte, sowie im Szenetreff Leipzig bei Thomaskantor Johann Kuhnau eingeübt hatte. Auch als Hebenstreit letztlich in Dresden Hofmusiker und Chef der dann versteckteren protestantischen Abteilung wurde, schwärmten Kenner und Kollegen noch von ihm und seinem Talent.
Nichts anderes, als ebenfalls ins langnachhängende Schwärmen zu kommen, kann ich bei Fleischanderl, die ihr Original-Barbi-Salterio von 1725 – in einigen Stücken quasi-simultan tonmäßig erweitert um eine niederländische Hackbrett-Kopie nach einem Modell von 1690 – mit der faszinierenden Ausstrahlung, der Virtuosität und dem Selbstverständnis bediente, die die Instrumentenfamilie verdient und früher hatte. Allein mit den ersten vier arrangierten Werkbeispielen Johann David Heinichens und Silvius Leopold Weiss‘ sowie Kuhnaus und Johann Friedrich Faschs, zudem einem Andante des Pantaleonspielers Christlieb Siegmund Binder, demonstrierte Fleischanderl neben den rhythmisch- und technisch-sartorialen Freudenbrunnen, die so leicht und natürlich wirken, die Vielfalt und zusammenfindende Klangproduktion der Instrumente. Stets mit unterschiedlichen Schlägelchen elegant gespielt, brachte sie die artikulatorischen Seiten ihrer Saiten von filigran, weicher und gefühlvoll in melancholischeren Sätzen bis zu ausgelassen und stolz in arpeggiogepickten Läufen zum Vorschein.
Nach einem weiteren Fasch-Konzert, in dem die zärtliche Zauberhaftigkeit des Adagios mit den typisch schwungreichen und melodieschönen Elementen der Allegri kontrastierte, setzte Holland Baroque eben jenen Telemann mit bekannt mitreißender Wertschätzung der Steenbrinks in Szene. Und natürlich – trotz einer historisch nicht ernst gemeinten Djembe-Trommel-Einlage im Finalsatz eines berüchtigten Concertos im wilden Hanakenstil – damit das ein Pantaleon vertretene Salterio, welches in Telemanns exotischer und klassischer Bandbreite Habitat und Verbreitung des Hackbretts symbolisierte. Es war Teil des kleinen Auszugs aus der vor knapp zwölf Jahren digitalisierten Quelle der Dahlhoff-Kollektion mit über 1400 gesammelten Musiken. Auch als Ensemble ohne Fleischanderl, dafür mit Judith Steenbrink als Violinsolistin in Reminiszenz an Hebenstreits Geigenkünste, brillierte Holland Baroque in Mitwippqualität mit Fasch und Telemann. In kleinster Besetzung ohne zusätzlich gestrichenen Kontrabass, um die Balance zum Psalter zu wahren, ließ es Seltenes wieder ganz groß und Vergessenes unvergesslich werden.