Seine Siebte sei sein bisher bestes Werk und „vorwiegend heiteren Charakters”. So kündigte Gustav Mahler seine neue Symphonie gegenüber einem Konzertagenten an. Nun hat es mit der Heiterkeit bei Mahler eine besondere Bewandtnis. Sein Humor ist sehr subtil, geht oft in Ironie über, wenn man etwa an den dritten Satz der Zweiten denkt oder das Lied Lob des hohen Verstandes, in dem ausgerechnet der Esel sich als Musikkritiker betätigt und alles lobt, wo bloß der Takt fein eingehalten wird. In der Siebten findet sich diese Haltung genau in der Mitte der fünf Sätze, dem geradezu gespenstischen Scherzo, sogar noch gesteigert.

François-Xavier Roth
© Andrea Kremper

In der von François-Xavier Roth dirigierten Aufführung des SWR Sinfonieorchesters bei den diesjährigen Pfingstfestspielen in Baden-Baden gelang dieser Satz wohl am eindrücklichsten. Im Sinne Mahlers soll er „schattenhaft” wirken. Von den hingetupften Einzeltönen der Pauke, der Holzbläser und dem kurzen Pizzicato der Streicher angefangen entwickelte der Satz einen enormen Sog hin zu dem schrägen Walzer, der irgendwann in sich zusammensackt, um erneut gleich noch wilderer auszubrechen. Heulende Oboen und Klarinetten, pfeifende Violinen und die an die Schmerzgrenze im fünffachen Forte gerissenen Saiten der Celli – ein grotesker Tanz auf dem Vulkan, vom Orchester souverän in faszinierenden Klang umgesetzt.

Eingebettet ist dieses Scherzo in zwei von Mahler selbst so bezeichnete „Nachtmusiken”, dem zweiten Symphoniesatz Allegro moderato und dem vierten Satz Andante amoroso. Hier blieb die Interpretation hinter den Möglichkeiten der Komposition zurück. Roth nahm diese Sätze allzu plakativ und äußerlich, ließ ihren traumähnlichen Charakter nicht recht erkennen. Das Allegro beginnt nach einem fragenden Dialog der Hörner mit munterem Gezwitscher in den Holzbläsern und wird dann von der Erinnerung an einen Trauermarsch geprägt, wie ihn Mahler etwa im Wunderhornlied vom armen Tambourgsell gestaltet hat. Musikalische Zartheit könnte hier die Atmosphäre eines poetischen Notturno schaffen. In dieser Aufführung blieb der Klang aber zu direkt, in der Dynamik zwischen laut und leise nur wenig abgestuft. Kaum hörbar waren die Herdenglocken, Symbole von letzten Lauten aus der konkreten Welt hinein in die ungreifbare Sphäre der Nacht und des Traums. Auch die zweite Nachtmusik konnte kaum angemessenen Zauber entfalten. Die in Symphonien so seltenen Instrumenten wie Gitarre und Mandoline gingen im übrigen Klanggeschehen fast unter. Der Serenadencharakter des Satzes blieb weitgehend uneingelöst.

François-Xavier Roth dirigiert das SWR Symphonieorchester
© Andrea Kremper

Am grandios komponierten ersten Satz arbeiteten Dirigent und Orchester sich förmlich ab. So gelang es, seine überaus komplexe Struktur deutlich zu machen. Geradezu finster begann der Satz im schroff punktierten Rhythmus der tiefen Streicher. Eher direkt und zu laut als mysteriös unheimlich klang der tiefe Ruf des Tenorhorns. Nach und nach in den unterschiedlichsten Gruppen formierte sich das Orchester zu einem strengen Marsch in vielfältiger Gestalt an Instrumentation und Klangfarbe und gipfelte im reinen C-Dur-Durchbruch der Harfen und jubelnden Violinen.

Auch der Finalsatz, ein Rondo von überdimensionalen Ausmaßen, ist ein musikalisches Jubelfest. Mit seiner immer wieder auftrumpfenden Energie hat er auch etwas Ermüdendes. Heiterkeit wird hier tatsächlich – selten bei Mahler! – zu überbordender Fröhlichkeit. Deswegen ist dieser Satz auch so umstritten. Wie hat der Komponist, dem sonst meist Skepsis, Selbstzweifel und kritische Haltung in der Musik eigen sind, einen so starken Ausbruch von C-Dur-Jubel gemeint? Als Ausdruck von purer Lebensfreude nach seiner tragischen Sechsten Symphonie? Als Parodie auf einen oberflächlichen (und, 1905 komponiert, angesichts der Zeit vor dem nahenden Weltkrieg: besinnungslosen) Freudentaumel? Roth konnte darauf auch keine Antwort geben. Seine Interpretation jedenfalls dieses Satzes lieferte sich ganz dessen lautem, lärmendem Grundton aus. 

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