Time to say goodbye, heißt es für das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin und seinen Chefdirigenten Robin Ticciati dieser Tage. Nach mehr als sieben Jahren verabschiedet sich der Brite vorzeitig – sein Vertrag lief ursprünglich bis 2027 und wurde im Frühjahr des vergangenen Jahres bis Sommer 2025 verkürzt, um schließlich noch eher als geplant mitten in der Saison zu enden – von dem Berliner Klangkörper. Für weitere Konzerte in diesem Jahr firmiert Ticciati dann schon offiziell als Gastdirigent. Für das offizielle Farewell stand nun Gustav Mahlers Symphonie Nr. 2 auf dem Programm.

Robin Ticciati © Fabian Schellhorn
Robin Ticciati
© Fabian Schellhorn

Da beim DSO seit der vergangenen Saison kein Konzert ohne Komponistin verläuft, wird auch an diesem Abend ein mal wieder recht kurzes Werk aus der Feder einer – oder in diesem Fall seiner – Frau vorangestellt. Alma Mahler-Werfels Die stille Stadt, aus den Fünf Liedern transkribiert von Clytus Gottwald für achtstimmigen Chor, basierend auf dem gleichnamigen Gedicht von Richard Dehmel. Klanglich dicht, subtil und dennoch eindringlich entfaltet der Rundfunkchor das rund vierminütige Werk, das mit seinem Inhalt an eine Auferstehungssymphonie, mit der es sofort attacca weitergeht, im Kleinen erinnert. Für sich allein darf das Werk also nicht stehen. Alma, die Frau ihrer Männer.

Statt Applaus erklingt der himmelsstürmende Einsatz des Orchesters. Hört her, scheinen sie zu rufen. Was folgt ist jedoch eine Auferstehungssymphonie, die vor allem vordergründig in die Extreme geht. Von Anfang an spinnt Ticciati ein robustes Netz an Intensität. Dabei spielt der scheidende Chefdirigent insbesondere in den oberen Lautstärken im ersten und finalen Satz mit der Dynamik. Nahezu ohrenbetäubend klingt das und erweist sich als durchaus effektvoll. Auch das Modell Holzhammer hat seinen Charme, wie der geneigte Mahler-Liebhaber weiß.

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Robin Ticciati dirigiert das DSO Berlin bei seinem Abschiedskonzert als Chefdirigent
© Fabian Schellhorn

Nach dem sturmbrausenden Allegro maesteso folgt ein Andante moderato, das seinem moderatem Namensteil alle Ehre macht. Seicht-tänzerisch, angenehm, pastoral – sind jene Adjektive, die in den Kopf der Schreiberin dieser Zeilen kommen. Der Nebel über der Stadt aus Alma Mahler-Werfels Die Stille Stadt scheint sich über die Zweideutigkeiten des Werkes gelegt zu haben. Es wirkt als seien jene rauen Kanten, die Mahlers Musik so besonders machen, in Ticciatis Interpretation abgefeilt. Das Instrumentalspiel des Orchesters an sich ist dabei durchweg wunderschön. Der warme Klang des Orchesters ist über das ganze Werk hin exzellent mit zahlreichen berührenden Soli. Doch scheint ein kontrastreicherer Mahler auch in den stillen Momenten näher an den Brüchen seiner Werke.

Ihren Effekt verfehlt Mahlers Symphonie Nr. 2 dank der tosenden Klanggewalten aber am Ende doch nicht. Als das Urlicht beginnt zu flackern, verbreitet sich die Magie von Mahlers Werk. Das liegt vor allem an dem gefühlvoll wohltemperierten und vollmundigen Mezzosopran von Karen Cargill, der den Abend auf eine andere emotionale Ebene zu heben scheint, insbesondere im Zusammenspiel mit der Solo-Oboe. Lodernd-feurig geht es dank Ticciatis anpeitschenden Dirigat auch im abschließenden Satz weiter. Dabei erweist der Rundfunkchor Berlin, einstudiert von Gerhard Polifka, wieder einmal sein herausragendes Können. Abgerundet werden die Sänger*innen vom glockenhellen Sopran Joélle Harveys, der scheinbar mühelos über dem Orchester schwebt. Der folgende Applaus ist dabei fast ebenso stürmisch wie die Darbietung. Bereits im Dezember ist Ticciati zurück beim DSO, dann mit Beethovens Eroica. Also kein Abschied ohne Wiedersehen.

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