Es ist hinlänglich bekannt, dass Wolfgang Amadeus Mozart eine mit „Papa“ genannte väterliche Freundschaft und unter anderem in den mit „caro amico“ gewidmeten Quartetten zum Ausdruck kommende Bewunderung zu Joseph Haydn empfand. Haydn seinerseits nahm das junge, so erkannte Genie mit Verbundenheit an, wie übrigens auch Bruder Michael in Salzburg, der ihm ja bei erster Oper zur Hand gewesen war. 1784 trafen beide, also Joseph und Wolferl, in Wien bei Haydns Revisionsaufführung von Il ritorno di Tobia aufeinander, das wunderbare erste Oratorium, welches sich nach damaligem Geschmack zwar nicht mehr wirklich retten ließ, doch mit Rezitativ-Arie und einer unfassbar schicken Sinfonia Leitplanken setzte.

Allerdings auch nicht zuerst, dürfte Haydn – neben letzter barocker Wientradition seines Lehrers Johann Georg Reutter d.J. – sicher mindestens Josef Myslivečeks gleichnamiges Stück von 1769 gekannt haben. Jenes Komponisten, mit dem Mozart freundschaftlichen Kontakt hatte und sich dessen Olimpiade-Aria des Clistene für eigene Konzertarie Alcandro, lo confesso bediente. Sowohl Sinfonia als auch Konzertarie – zusätzlich Ch’io mi scordi di te? – standen mit Haydns Symphonie Nr. 49 und Mozarts Klavierkonzert Nr. 25 auf dem Programm des Orkest van de Achttiende Eeuw in Arnhem, das sich unter verstorbenem Gründer Frans Brüggen einen legendären Ruf für seine Interpretationen dieser beiden Wiener Klassiker erwarb.
Wenn nicht von Konzertmeister Alexander Janiczek (gerade als Sektionsprimus beim Dresdner Festspielorchester mit Concerto Köln für Wagners Siegfried unterwegs) oder vom jeweiligen Solisten geleitet, lädt sich das Ensemble Gastdirigenten für die Projekte ein, diesmal – zur 211. Tour – Jakob Lehmann, Wiederkehrer beim Orchestra18c. Er verpasste der Sinfonia den dramatischen, bestimmten, dynamischen Anstrich, nahm das Tempo allerdings nicht zu hastig, einerseits um Raum für lyrischere Kontraste, andererseits solchen für Neukomms Accelerando-Schlusscoda zu lassen. Natürlich machte sich da schon und in besonderem Maße die traditionelle Antiphon-Aufstellung des Orchesters für die korrespondierenden Geigenfiguren bezahlt, darüber hinaus gefiel die Aussteuerung von Bässen, Hörnern, Flöten und Oboen, allein die Pauken klangen im Musis-Parkzaal etwas dumpf.
Lehmanns eigene Violinkarriere merkte man Haydns Passione-Symphonie dann noch stärker an, als sich die erzeugten Farben und Dynamiken der Streicher im Adagio als äußerst interessant und hörenswert erwiesen. Dazu kamen vor allem jene der Hörner, deren erste Partie, Pierre-Antoine Tremblay, ebenfalls lange mit Lehmann vertraut ist. Tremblays Horn zeigte auch im kontrastvoll abgesetzten Allegro di molto hervorragende Artikulationsfähigkeiten, wobei das Orchestra18c nach wieder an Tobia-Theatrale andockendem Menuett und sprudelnder Presto-Kanone seinen Status generell firm untermauerte. Balancetechnisch war es zudem abgestimmt auf Sopranistin Katharine Dain in den beiden Konzertarien Mozarts, die sie mit verständlich-definierten Affekten schmückte. Zu denen gehörte auch trotz aller gleichzeitig vernehmbaren Stilkontrolle eine durchaus ausgeprägtere Vibrato-Leidenschaft, die bei den kulminierenden Spitzen im Finale der Ersten (KV294) besser eingedämmt worden wäre.
Bei Zweiter (KV505) mit insgesamt guter Betonung und sehr sensibler Begleitung Dmitry Ablogins am Hammerflügel dabei, trumpfte der Klaviersolist, ebenfalls orchesterbekannt, schließlich in Mozarts Konzert auf. Nicht mit extravagant großer Geste – das besorgte in C-Dur-Kraft das Ensemble mit exzellenten Flöten- und Fagottstimmen Kate Clarks und Hugo Arteagas –, sondern mit raffinierter, kontrastreicher, galant-reifer Erhaben- und Verschmitztheit, die bei allen Moll-Wechseln Freude in Hülle und Fülle schufen. Mozarts Marseillaise-Zitat (damals noch nicht französische Hymne) keck verklungen, lebte zweiter von Betonung und dritter Satz von nasedrehendem, herrlich täuschendem Wirbel-Eindruck auf. Währenddessen gab es drei Anrufversuche auf ein nicht stummgestelltes Smartphone. Orchester und Solist davon im Flow völlig unbeeindruckt, nehme ich das eigentlich störende Bimmeln mal mit Humor: vielleicht waren es die im Himmel wieder verbundenen Haydn und Mozart, die dringend durchgeben wollten, dass sie ihren Segen für die Aufführung erteilten.