Vor dem eigentlichen Beginn des Konzerts im Pierre Boulez Saal richtete sich Krzysztof Chorzelski, Bratschist des Belcea Quartets, mit leiser Stimme an das Publikum und gab bekannt, dass der Abend der im November verstorbenen zweiten Geigerin Laura Samuel gewidmet ist. Sie war vor 30 Jahren Gründungsmitglied des Ensembles.

Im ersten Teil überreichte das Belcea Quartet Arnold Schönberg ein spätes Geburtstagsgeschenk und führte dessen Erstes, als langer, zusammenhängender Satz durchkomponiertes Streichquartett Op.7 auf – als Ausdrucksmusik. Fast nüchtern, scharf wie mit Röntgenaugen durchleuchtet, begann der Hauptsatz, in dem das energische erste Thema vorgestellt wird. Dass die Ausgewogenheit des Ensembles sich nie über die Individualität seiner Mitglieder hinwegsetzte, wurde im Seitensatz deutlich, in dem jedes Instrument ein Thema vorzutragen und es mit einem anderen zu vernetzen hatte. Keine Stimme ordnete sich dabei dem Gesamtgebilde unter; jeder Part blieb klar umrissen. Spätestens, als in großer Aufruhr ein greller Wiener Walzer angedeutet wird, war unmissverständlich klar, dass hier eine Geschichte in Tönen zu hören war, die vor allem darum nachvollziehbar erzählt wurde, weil die Verwandtschaft der Themen deutlich herausgekehrt wurde. Dabei scheuten die vier Musiker*innen auch vor Grobheit nicht zurück, blieben im Klang aber stets kontrolliert.
Dass sich das Ensemble gründlich mit Schönbergs unveröffentlichtem Programm des Werkes auseinandergesetzt hat, wurde darin ohrenfällig, dass die vier Belceas den langsamen Teil nicht als tönende Liebesszene missverstanden und im Wohlklang schwelgten, sondern in leisen Tönen und mit großem Spektrum an Farben und Schattierungen sowie dynamischen Feinstabstufungen die Resignation in Töne setzten, um das Scheitern der Liebe zu betrauern. Im Rondoteil täuschten sie zunächst heitere Gelassenheit vor, bis diese von der Realität am Ende eingeholt wurde. Hart, ungeschönt und ohne Rücksicht wurde in der enigmatischen Schlusskadenz jede Illusion von Versöhnung erstickt und dunkle Schatten auf die nur vermeintliche Ruhe und Harmonie des Ausklangs gelegt.
Nach der Pause gab es ein Paradestück des Ensembles zu hören: Beethovens cis-Moll-Quartett Op.131, das mit einer Fuge eröffnet wird, die alles archaische abstreift. Delikat kostete das Ensemble die Varianten des Themas am Satzende aus und entwickelte dabei eine Liebe zum Detail. Am Vortrag der Variationenfolge ließ sich die Meisterschaft des Quartetts besonders eindrucksvoll vernehmen. Das als durchbrochener Satz komponierte Thema arbeitet mit kleinsten, einfachsten Motiven. Feinste Nuancen führen im Satzverlauf schrittweise Veränderungen ein: hier eine Punktierung, da eine Umgestaltung einer Seufzerfigur in einen Tonleiterausschnitt. Alles wurde behutsam von einer Stimme zur nächsten weitergereicht, nicht leichtfertig nur Kontraste gesetzt, sondern Veränderungen nachgezeichnet. Wenn das Thema in der Coda als Gassenhauer erklingt, war das mindestens so sehr Konsequenz als Pointe – und ließ sich sogar als Vorbereitung auf das Kinderlied des fünften Satzes hören, der dann spielfreudig und mit jugendlichem Elan und Elastizität im Ton musiziert wurde: ganz ohne Übertreibung oder gar Koketterie.
Im Finale erhöhten die Vier das Temperament, peitschten aber den Ton nicht nur voran, sondern artikulierten die Rückbezüge zur Fuge deutlich heraus, um den Zyklus zu schließen.
Die Zugabe, Beethovens Cavatina aus dem Quartett Op.130, klang in aller Wehmut gespielt, als posthume Ehrung für Laura Samuel.