Wenn Herbert Blomstedt ein Konzert zum Psalmsonntag dirigiert, geht man vermutlich nicht falsch in der Annahme, dass der gläubige Adventist an diesem Tag nicht allein große Werke zum Klingen bringt, sondern seinem Publikum auch eine Botschaft vermitteln möchte, die über das Hörerlebnis hinausgeht.
Eröffnet wurde das Konzert mit der Staatskapelle Dresden mit Strawinskys Psalmensymphonie, deren Aufführung ganz von Strawinskys Ideal einer Symphonie als Zusammenklang bestimmt war: Niemals überwog das Orchester den Chor oder umgekehrt. Das Ideal Strawinskys ist der glasklare Klang – und dem ließ Blomstedt schon im eröffnenden Spielfigurenpräludium seinen Lauf. Das fast übermütige Fließen der Bläser unterbrach er mit einem so schillernden wie herben Akkord, der wie eine Säule im Satz fungierte. Dass Strawinsky große Mühe damit hatte, die instrumentale Fuge, mit der der zweite Satz beginnt, zu komponieren, war dieser Aufführung nicht anzumerken, so luzide klang dieses kontrapunktische Dickicht in ausschließlich hoher Lage unter Blomstedts Leitung. Wie ernst es alle in dieser Aufführung mit der Gleichbehandlung von Orchester und Chor nahmen, war z. B. zu hören, als die Hörner den Themenkopf der Instrumentalfuge wie eine zusätzliche Stimme der Chorfuge hinzufügte. Wie verzückt sang der von André Kellinghaus glänzend einstudierte Sächsische Staatsopernchor Dresden das „Alleluia“, mit dem der dritte Satz begann. Eine stürmische Jagd durchbrach die Andacht zunächst. Doch am Ende fanden sich Chor und Orchester im „Tranquillo“ in ein breites Hinströmen der Musik ein. In Euphonie kam die stille Lobpreisung zu Gehör.
Mit Bruckners Sechster Symphonie erklang eines der Werke, mit deren Aufführung ich Blomstedt zu bewundern begann. Erst in den letzten Takten ließ er die Symphonie an ihr Ziel kommen. Doch ordnete er nicht alles andere dieser Teleologie unter wie viele seiner Kollegen. Im Unterschied zu anderen Aufführungen dieses Werkes maß Blomstedt auf dem Weg dahin wirklich jeder vermeintlichen Kleinigkeit größte Wertschätzung und Hingabe bei. Allein mit welcher Vielfalt er die ständigen Wechsel von Duolen und Triolen belebte und die Vielfalt der Punktierungsarten des Rhythmus im Kopfsatz beseelte, wäre eine eigene Studie wert. Von der Innbrunst, mit der er die „Gesangsperioden“ mit all ihren Kontrapunkten und glühenden Nebenstimmen zelebrierte, gar nicht zu sprechen.