Es gibt Komponisten, die zwar berühmt sind, deren Werke aber kaum aufgeführt werden. Einer von ihnen ist William Byrd, der vor 400 Jahren gestorben ist. Das Jubiläum bietet Anlass, die Scheinwerfer des Musikbetriebs auf den bedeutenden englischen Komponisten aus dem Elisabethanischen Zeitalter zu richten. Ein Veranstalter, der das tut, ist das Forum Alte Musik Zürich. Die von der Blockflötistin Martina Joos und dem Musikjournalisten Roland Wächter künstlerisch betreute Institution richtet jährlich im Frühling und im Herbst das Festival Alte Musik Zürich aus. Diesen Herbst liegt der Fokus auf dem Dreigestirn Byrd, Dowland und Purcell.

Das Jubiläumskonzert für William Byrd im Kulturhaus Helferei war augenzwinkernd als „An Afternoon with Byrd(s)” angekündigt worden. Die Vögel hatten da tatsächlich einen Auftritt, nämlich im Lied Venus’birds von John Bennet. Das Konzert bot mit seinen drei je eine Stunde dauernden Teilen einen repräsentativen Querschnitt durch das musikalische Schaffen Byrds und seiner Zeitgenossen.
Im ersten Teil machte die deutsche Cembalistin Friederike Chylek das Publikum mit Byrds Tastenmusik bekannt. Mit ihrem interpretatorischen Schwerpunkt auf der englischen Musik des 16. und 17. Jahrhunderts war Chylek für diese Aufgabe geradezu berufen. Als Instrument stand ihr ein vom Atelier Markus Krebs nachgebautes italienisches Cembalo mit einem Manual und zwei 8-Fuss-Registern in alter Stimmung zur Verfügung. Die dargebotenen Stücke heissen Prelude, Fantasia, Air oder Hornpipe. Sie kommen als Tänze, instrumentale Lieder oder kontrapunktisch durchgearbeitete Kompositionen daher. Man entdeckte da beispielsweise, dass Fantasia bei Byrd nicht ein quasi improvisiertes Gebilde, sondern ein streng polyphon komponiertes Stück ist. Im Gedächtnis haften bleibt auch die Lachrymae Pavan von John Dowland in der Bearbeitung von Byrd, ein in der Oberstimme reich verzierter Schreittanz. Friederike Chylek wirkte als Persönlichkeit ernst und emotional zurückhaltend. Interpretatorisch trug sie diese Keyboard Music jedoch sehr stilsicher und differenziert vor. Ein schönes Beispiel dafür sind die vier Sätze von Henry Purcells Suite in g-Moll.
Im zweiten Teil des Konzerts hatte das Cellini Consort einen bemerkenswerten Auftritt. Das Trio der ständigen Mitglieder Tore Eketorp, Thomas Goetschel und Brian Franklin erweiterte sich mit Leonardo Bortolotto zum Gambenquartett. Die Gambe, die im Verlauf der Musikgeschichte von der Familie der Violininstrumente verdrängt wurde, ist ein urtypisches Instrument der Renaissance- und Barockzeit. Da von Byrd jedoch nur wenig Consortmusik überliefert ist, lag der Fokus der Cellini-Musiker auf Byrds Zeitgenossen. Die teils geistlichen, teils weltlichen Kompositionen sind, deutlicher als die zuvor gehörte Cembalomusik, dem Ideal eines vierstimmigen, imitatorisch geprägten Vokalsatzes verpflichtet. In der Wiedergabe mit Diskant-, Alt, Tenor- und Bassgambe trat dieser Aspekt sehr deutlich in Erscheinung. Brauchte man vielleicht anfangs ein bisschen Zeit, um in diese wenig spektakuläre, ruhig dahinfliessende Musik einzutauchen, so machte einen das Cellini Consort nach und nach richtig süchtig danach. Die vier Herren sind fantastische Musiker, bei denen Individualität und Teamgeist eine ideale Verbindung eingehen.
Der dritte Konzertteil war einer Musikgattung gewidmet, die Byrd reichlich gepflegt hat, die aber in der heutigen Rezeption am stiefmütterlichsten behandelt wird: Es sind die Consort Songs, also Lieder für Solostimme und Instrumentalensemble. Durch die Mitwirkung der Sopranistin Jessica Jans wurde dieser letzte Teil zum krönenden Abschluss des Byrd-Nachmittags. Die junge Baslerin, die unter anderem an der Schola Cantorum Basiliensis studiert hat, ist eine beredte Anwältin für die Alte Musik. Geschickt verstand sie es, die Umsetzung der historischen Aufführungspraxis mit einer unmittelbar wirkenden Emotionalität zu verbinden. Als Persönlichkeit punktete sie mit Natürlichkeit, offenem Charakter und einer gewinnenden Ausstrahlung. Ein ganz besonderes Flair entwickelte sie für den Humor der dargebotenen Stücke. Im Lied My mistress had a little dog, das von einem anmutigen Hund erzählt, der von einem bestialischen Mann erschlagen wird, entlud sich diese Fähigkeit geradezu bühnenreif. Das Cellini Consort unterstützte die Sängerin virtuos und machte deutlich, dass der kunstvolle Instrumentalpart weit mehr als nur eine Begleitung ist. Und als ob nichts daran wäre, vertauschten die Spieler von Diskant- und Tenorgambe auch noch ihre Rollen.