Ein wahrer Dauerbrenner des Repertoires war nun als zweite große Premiere dieser Saison an der Oper Graz zu erleben: Ute M. Engelhardt siedelt ihre Inszenierung von Verdis Rigoletto dabei in der Gegenwart an und rückt die psychologischen Abgründe der dekadenten Gesellschaft rund um den Herzog von Mantua ins Zentrum, in die Rigoletto nach dem Tod seiner Frau als alleinerziehender Vater zunächst völlig unfreiwillig hineingerät. Seine moralischen Grenzen verschwimmen schließlich mehr und mehr, wobei dank der präzisen Personenregie genau dieser Aspekt fein herausgearbeitet wurde; auch die feine Linie zwischen liebevollem Beschützen und gnadenlosem Kontrollieren seiner Tochter überschreitet dieser Rigoletto zusehends.

Nikoloz Lagvilava (Rigoletto) © Werner Kmetitsch | Oper Graz
Nikoloz Lagvilava (Rigoletto)
© Werner Kmetitsch | Oper Graz

Überhaupt setzt die Regisseurin darauf, die Figuren weder eindimensional noch schwarz-weiß zu zeichnen, sondern setzt auf all die Graustufen dazwischen, die dafür sorgen, dass die Charaktere dreidimensional wirken und man dem Herzog phasenweise sogar wirklich abkauft, dass er Gefühle für Gilda entwickelt hat. Engelhardt erzählt die Handlung den Abend über stringent, ohne Mätzchen und in optisch ansprechenden Bildern, wobei der Kontrast zwischen dem luxuriösen, schillernden Leben des Herzogs, der fast mystisch wirkenden Welt Rigolettos und dem düsteren Unterwelt-Milieu von Sparafucile und Maddalena besonders überzeugend gelingt.

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Ekaterina Solunya (Gilda)
© Werner Kmetitsch | Oper Graz

Getragen wurde der Abend in sängerischer Hinsicht von Nikoloz Lagvilava in der Titelrolle, denn genau so muss ein Verdi-Bariton im Idealfall klingen: warm timbriert, wunderbar geführt, mit einer beeindruckenden Bandbreite von zartem Gurren bis hin zu dramatischem Aplomb sowie eine farbenreiche, emotionsgeladene Gestaltung. Die Stimme sitzt in allen Lagen hervorragend und wirkt auch in der finalen Szene noch mühelos – kurz gesagt, es war eine Freude, ihm zuzuhören. Das Publikum feierte ihn auch dementsprechend euphorisch, nicht zuletzt mit einem für Grazer Verhältnisse außergewöhnlich langen Szenenapplaus nach dem „Cortigiani“.

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Rigoletto
© Werner Kmetitsch | Oper Graz

Bei ihrem Rollendebüt als Gilda zündete Ekaterina Solunya an diesem Abend zwar kein Koloraturfeuerwerk, überzeugte aber mit schönen lyrischen Linien. Ihre Nervosität war allerdings die ganze Vorstellung hindurch spürbar: Der sonst so frei strömende Sopran mit klarer Höhe hatte deutlich mehr Vibrato als gewohnt, auch einige Spitzentöne wirkten verhalten und die emotionale Gestaltung der Figur blieb leider blass.

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Nikoloz Lagvilava (Rigoletto)
© Werner Kmetitsch | Oper Graz

Auch nicht den besten Tag erwischt zu haben schien Pavel Petrov, dessen Rückkehr an die Grazer Oper nicht so glanzvoll verlief, wie erhofft. Das wunderschön schmelzende Timbre seines Tenors ist zwar nach wie vor vorhanden, aber die Stimme klang (zu) sehr in der Kehle geführt, wodurch die Höhe eng und belegt wirkte, und sich nie tenoraler Glanz einstellen konnte. Ob eine momentane Indisposition dahintersteckt oder sich technische Unsauberkeiten eingeschlichen haben, wird sich wohl erst im Lauf der Vorstellungsserie zeigen.

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Neira Muhić (Maddalena)
© Werner Kmetitsch | Oper Graz

Zuverlässige Bass-Qualität lieferte Wilfried Zelinka als eleganter Sparafucile mit jener dunklen, fast gefährlich lässigen Energie, die die Rolle braucht, während Neira Muhić als Maddalena ein Mezzo-Zukunftsversprechen abgab: ihre große, samtig dunkle Stimme und einnehmende Bühnenpräsenz machten neugierig auf ihre weiteren Aufgaben am Haus! Auch die kleineren Partien waren durchwegs exzellent besetzt und der Herrenchor steuerte homogene Klangschönheit bei – hier zeigt das Haus bereits über Jahre eine stabile, beeindruckende Qualitätsbasis.

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Nikoloz Lagvilava (Rigoletto) und Wilfried Zelinka (Sparafucile)
© Werner Kmetitsch | Oper Graz

Das Orchester unter Chefdirigent Vassilis Christopoulos musizierte an diesem Premierenabend wunderbar differenziert und farbenreich, brachte dabei zahlreiche Details der Partitur zum Leuchten – besonders in den Holzbläsern mit fein ausgeformten Linien und melancholischen Farben. Außerdem gelang die Balance zwischen dramatischer Wucht und klanglicher Transparenz ausgezeichnet. Christopoulos zeigte zudem große Sängerfreundlichkeit: Während er Lagvilavas Rigoletto mit kraftvollem Fortissimo mitriss, nahm er sein Orchester äußerst sensibel zurück, um Solunya und Petrov etwa in ihrem Duett nicht zum Forcieren zu zwingen.

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