Georgia (das Land) on their mind haben in dieser Woche die Berliner Philharmoniker. Zu seinem traditionellen Europakonzert reist das Orchester in diesem Jahr am 1. Mai in die georgische Hauptstadt Tbilissi. Mit Johannes Brahms Violinkonzert und Ludwig van Beethovens Symphonie Nr. 5 stehen dabei gleich zwei Publikumslieblinge auf dem Programm. In der heimischen Philharmonie sorgen gleich zwei Quasi-Generalproben-Konzerte mit der georgischen Geigerin Lisa Batiashvili als Solistin und Daniel Harding als Dirigent, der für den erkrankten Daniel Barenboim eingesprungen ist, die Vorfreude auf die erstmals nicht live sondern versetzt im Fernsehen übertragenen Konzerte zu steigern.

Zum Auftakt steht Franz Schuberts Ouvertüre zu dem Melodram Die Zauberharfe auf dem Programm. Mit traumtänzerischer Sicherheit bewegen sich die Berliner Philharmoniker durch die Ouvertüre des Bühnenwerkes, das selbst nur acht Mal aufgeführt wurde und dessen Text selbst als verschollen gilt. Fein moduliert Harding, gestaltet schnelle Übergange zwischen den unterschiedlichen Instrumentengruppe, setzt so gezielte Akzente – eine Deutungsweise, die auch bereits die Herangehensweise des Dirigenten an die folgenden Werke vorausahnt.
Insbesondere in Brahms Violinkonzerte führt das von Beginn an zu einem dringlichen Frage- und Antwortspiel zwischen Orchester und Solistin. Energisch-energetisch nicht romantisch-klangschwelgend klingt das häufig gespielte Violinkonzert – erst einen Tag zuvor war es mit dem Deutschen Sinfonie-Orchester Berlin und Frank Peter Zimmermann als Solisten ebenfalls in der Philharmonie zu hören – an diesem Abend. Gefochten wird hier eher mit Florett denn mit Degen. Wirkt Batiashvili zunächst hochkonzentriert, huscht der Geigerin kurz vor der Kadenz zum Ende des ersten Satzes ein Lächeln über die Lippen, das sie zu befreien scheint. Mit schillernd-schimmerndem Ton und einfühlsamer Brillanz gestaltet sie die folgende Busoni-Kadenz und legt dabei einen besonderen Fokus auch auf die leisen Töne.
Der zweite Satz des Brahmschen Violinkonzertes beginnt mit einer der wohl schönsten Oboenmelodien der Musikgeschichte – und wohl niemand spielt diese sensibel-gefühlvoller als Philharmoniker-Solist Albrecht Mayer. Auch in der Folge bettet Harding Batiashvilis Geigenkünste auf einen samtig-transparenten Streicherklang, legt seinen Fokus eher auf die Begleitung denn scharfe Akzentuierung. Dennoch blitzt vor allem während des dritten Satzes immer wieder die unglaubliche Stärke und das Können der Philharmoniker auf. In den kleinsten Momenten braust das Orchester für eine Augenblick auf, verändert die Dynamik im Raum, um sich sofort wieder zurückzunehmen. Erste kontrollierte Muskelzuckungen, die wiederum auf das finale Werk des Abends vorausahnt.
In Beethovens Fünfter Symphonie sind Orchester und Dirigent schließlich voll und ganz in ihrem Element, dürfen endlich die gestählten Muskeln spielen lassen. Kampfeslustig stürzen sie sich in die wohl berühmtesten vier Töne der Welt. Das Schicksalsmotiv ist der Auftakt für einen Parforceritt durch die Symphonie, der wie schon zuvor vom Dirigenten eher von der rhythmischen Plastizität denn von Klangschönheit her gedacht ist. Ein Blick auf die Uhr verrät, welch rasendes Tempo – Beethovens Metronomangaben lassen grüßen! – Harding für das Werk anschlägt. Dank der Finesse im Spiel und Zusammenspiel der Berliner Philharmoniker ist das jedoch kaum zu hören. Auch im höchsten Tempo ist fast jedes Detail zu hören. Es ist diese Transparenz in Tempi und Dynamik, die die guten von den Spitzenorchestern unterscheidet.
Dabei setzt Harding wie schon zu Beginn auf fein akzentuierte Phrasierungen, die klare Gegensätze zwischen nur kurzen Momenten der Ruhe und des Aufbäumens schaffen. Ein besonderes Augenmerk legt der Dirigent dabei immer wieder auf das Blech. Dieser dramatische Furor wirkt faszinierend gar aufregend, am Ende jubelt das Publikum, gibt teils stehende Ovation, doch das schicksalhaft Knisternde in Beethovens Symphonie bleibt an diesem Abend in den Noten verborgen. Zum Glück gibt es bis zum Europakonzert noch ein weiteres Konzert zum weiteren Feilen.