Vor mittlerweile schon zwanzig Jahren machte Così fan tutte mit dem Concerto Köln den Anfang zu René Jacobs ' Mozart-Opern-Zyklus. Acht der zehn großen Bühnen-Musikfeste hat er bis vor zwei Jahren in Einspielungen, vornehmlich zusammen mit dem Freiburger Barockorchester, der Akademie für Alte Musik Berlin und dem RIAS-Kammerchor, intensiv durchgearbeitet. Zahlreiche Konzerttourneen zeugen neben der vorherrschenden Kenntnis der Werke von dem Ausmaß und Erfolg Jacobs' berüchtigter Hörspiel-Dramen.
Noch bevor die fehlenden in Produktion gehen, kehrte er mit der Premiere nun nach Köln zurück, wo er mit dem Originalklang-Ensemble aus dem Breisgau, den Berliner Kollegen der Vokalakademie und bekannten Solisten die Wartezeit (in beide Richtungen!) so unverkennbar spielfreudig, schelmisch und studiert überbrückte, dass das mittlerweile genauso berühmte Halbszenische à la Jacobs einmal mehr prägnanter, unterhaltsamer, besser funktionierte als viele opernhäusige Kulissen-Künstlereien.
Diese Attribute sind nicht nur Jacobs' Markenzeichen, sondern eben auch dem Stück eingepflanzt, das den buffa-Stoff und Mozart ausmacht: eines von Treue und Liebe, Prüfung, List und Vergebung, das mit den üblichen, gern gesehenen Mitteln der Parodie und Effektschlägerei diese Gefühle und Charaktere verwertet. Hatte die Ouvertüre zwar unerwartet noch kleinere rhythmische Bündig- und Bissigkeitswackler, drückte das Orchester aber fortan mächtig auf die Tube und sog die Philharmonie, ob kraftvoll oder geschmeidig, in einen rauschhaften Spannungstrichter. Dass die Musik äußerst symphonisch zugrunde liegt, verführte Jacobs und das Ensemble dabei in entsprechenden Dynamikvorgaben manchmal zur Überdeckung der vokalen Soli, im ersten Akt vornehmlich bei den männlichen Verlobten, im zweiten bei den Stimmen der Fiordiligi und Despina.
Dies soll jedoch nicht vergessen lassen, mit welch überwiegender Farbfülle, Kontrastierung und Artikulationslebendigkeit das Freiburger Barockorchester beispielhaft die mehrstimmigen Einsätze mit dynamischer, akzentreicher Leidenschaft und Akribie belegte (besonders in Erinnerung blieb die Giftszene oder das Aufdecken des intriganten Tests) oder die besungenen Wind-Metaphern und Gefühlsausbrüche, sei es schmerzlich, rasend oder fröhlich, voll naturalistischer, übereinstimmender Eindrücklichkeit gestaltete. Den Mozart'schen Spaß daran konnte man besonders dem Fortepianisten Sebastian Wienand ansehen, der – auch im Mittelpunkt des Orchesters und sogar kurz im neckischen Flirt mit Despina – den rezitativischen Überleitungen den nötigen improvisationsgewitzten, flüssigen Anstrich verpasste. So frisch und passend präsentierten sich auch die starken, jungen Stimmen der sechszehnköpfigen Vokalakademie Berlin, die als Soldaten- oder Festchor mit Solisten und Orchester um die Wette strahlten.
Mit der Köstlichkeit an stimmlichem und schauspielerischem Charaktertreffen bewies Jacobs mit seiner eingeschworenen Solistencrew, beweglich und spritzig, ebenfalls wieder zuverlässig ein glückliches Händchen. Glück, das man in den frohlockend-verliebten Zuständen der Fiordiligi in Robin Johannsens zärtlichem, rhodiniertem Sopran deutlich heraushören konnte. Genauso wie sie der erst anzutreffenden Forschheit im Vergleich zu Dorabella ihre Stimme verlieh, steckte sie eine noch edlere Zurückhaltung und schüchterne, mädchenhafte Tugend in ihre Haltung zum geliebten Guglielmo, als sie mit ihrer Standhaftigkeit in innigen, oktavierten Aufs und Abs einsam haderte, ehe sie sich ergab.