Vor siebzig Jahren ist Richard Strauss gestorben. Anlass für das Münchner Rundfunkorchester mit einem rauschenden Programm aus Strauss-Werken an den berühmtesten komponierenden Sohn der Stadt zu erinnern. Bei ihrem Sonntagskonzert im Prinzregententheater schwelgte das Orchester unter Chefdirigent Ivan Repušić gemeinsam mit Sopranistin Krassimira Stoyanova im breiten Walzersound und erkundeten sowohl große Gesangsszenen aus Strauss‘ Opern als auch instrumentale Werke, die als eigenständige Stücke aus den Opern hervorgegangen sind.
Neben zwei symphonischen Zwischenspielen aus der Oper Intermezzo durfte da die Rosenkavalier-Suite nicht fehlen. Jeweils als Bindeglieder zwischen den Opernszenen mit Stoyanova entfalteten das Rundfunkorchester besonders in den Instrumentalwerken cineastische Klangbilder in überschwänglichem Dreivierteltakt, die im ersten Zwischenspiel Reisefieber und Walzerszene bereits den ersten vollmundigen Höhepunkt erreichten. Mit großer Innenspannung schloss sich das zweite Intermezzo Träumerei am Kamin an, dass schwelgerisch und mit großen lyrischen Bögen zwischen inniger Versunkenheit und expressivem Anspruch changierte. Erdig und mit lasziver Doppelbödigkeit interpretierte Repušić die Suite aus dem Rosenkavalier, die in sich geschlossen wie eine Miniaturausgabe der dreieinhalb Stundenoper funktioniert. Kraftvoll leiteten die Hörner die Suite ein und machten direkt deutlich, dass das Rundfunkorchester durchaus mit dem zur Überladung neigenden Strauss-Klang umzugehen wusste. Repušić ließ den Musikern Platz zur Entfaltung, gleichzeitig hielt er den Klang schlank. Flexibel gestaltete er die Tempi der jeweiligen Abschnitte und arbeitete so geschickt die dramatische Qualität und an lasziver Doppeldeutigkeit reiche der Suite heraus. Unsentimental und dennoch gewürzt mit der richtigen Portion an Emotion gelang Repušić eine packende und elektrisierende Interpretation.
Kontrastierend dazu erforschte Stoyanova in den Rollen der Marschallin, der Ariadne und der Capriccio-Gräfin die Raffiniertheit der Strauss’schen Charakterisierungskunst. Die bulgarische Sopranistin ist eigentlich Verdi-Spezialistin und hat in München vor allem mit dem italienischen Repertoire auf sich aufmerksam gemacht, dennoch hat sie sich in den vergangenen Jahren stetig eine Strauss-Rolle nach der anderen angeeignet und sich so den Anspruch als eine der führenden Strauss-Interpretin erarbeitet. Den Monolog und die anschließende Szene aus dem Ende des ersten Aktes aus dem Rosenkavalier sang sie im Duett mit Mezzosopranistin Violetta Radomirska, die den Octavian interpretierte. Als Partnerinnen hörten sich die beiden gut zusammen, dennoch blieben beide vorerst doch eher solide unspektakulär. Radomirska überzeugte mehr in der Höhe als mit vollem tiefem Register. Auch bei der Textverständlichkeit hatte sie so ihre Probleme. Ebenso wirkte Stoyanova noch nicht auf die großen Linien und Gesangsbögen der Musik eingestellt. Wirklich packend wurde sie erst nach der Pause mit den Szenen aus Ariadne auf Naxos („Ach wo war ich“) und Capriccio („Kein Andres, das mir so im Herzen lohnt“). Nun floss sie silbrig dahin und kam dem Ideal der Stimme als erweiterten Orchesterpart wirklich nahe. Egal ob als leidende Ariadne, die alleine und verlassen auf Naxos des Lebens überdrüssig wird, oder als Gräfin Madeleine, die vor dem Spiegel entscheiden will, welchem Verehrer sie nun wählen soll, die ewigen Melodielinien geht Stoyanova mit solcher Natürlichkeit an, dass es entwaffnend wirkte. Repušić und das Rundfunkorchester gestalteten die Opernszenen mit ebengleicher Sorgfältigkeit wie bei den symphonischen Werken. Die kammermusikalische Klangsprache der Ariadne gelang Repušić dabei genauso ausdrucksstark, wie die breiten klanglichen Pinselstriche des Capriccio-Finals. Ein starkes Programm, dass Lust machte, wiedermal eine Strauss-Oper in voller Länge anzuhören.