Ein Hauch von freudiger Erwartung ging letzten Freitag durch die heiligen Hallen des Konzerthauses. Im Versuch, alten Normen neues Leben einzuhauchen und ein breiteres Publikum anzusprechen, spielt es in dieser Saison mit einem ganz neuen Format. An einem Freitag im Monat beginnt das Konzert eine halbe Stunde früher als gewöhnlich, die Pause wird zugunsten einer informellen Vorstellung im Foyer danach ausgelassen. Bei diesem Nach-Konzert sind die Zuhörer eingeladen, den Künstlern ganz nahe zu kommen, ein Glas Wein und einen Imbiss zu sich zu nehmen, sich frei im Foyer zu bewegen, sich leise zu unterhalten und sich auf dem Nachhauseweg zu machen, wann immer sie mögen. Für eine Institution wie das Konzerthaus ist das ein gewagter Schritt und sollte begrüßt werden. An diesem Abend fand die Jungfernfahrt ins Gebiet außerhalb des Konzertsaales statt, und wenngleich es nicht unbedingt jedermanns Sache war, so war es doch ein überwältigender Erfolg.
In der ersten Hälfte des Abends eröffneten die Symphoniker unter der unfehlbaren Leitung von Philippe Jordan mit Schuberts Zweite Symphonie das Programm, einem Werk voller jugendlicher Energie und singenden Melodienreichtums, den man mit dem Paten des Liedes assoziiert. Die Symphoniker nahmen sie schwungvoll und flott und boten eine dynamische, beeindruckende Interpretation. Der erste und letzte Satz glühten und rahmten die Pole von Energie, Geschwindigkeit, Akkuratesse und stilistischen Normen mit viel Geschick. Dabei ist es eine Freude, Jordan zuzusehen. Seine gesamte Körpersprache änderte sich mit einem Wimpernschlag entsprechend der Vorzeichen, Grundstimmung und Farbe, und seine Gesten und Intentionen waren kristallklar.
Im schillernden, silber-schwarzen Kleid gesellt sich dann Khatia Buniatishvili dem Orchester hinzu, um das Publikum mit Liszts Klavierkonzert Nr. 2 in A-Dur zu begeistern. Ich bin kein Freund der Virtuosität um der Virtuosität Willen, doch die junge georgische Pianistin war hier ganz in ihrem Element. Neben den zahllosen Passagen, in denen ihre Hände in aberrwitziger Geschwindigkeit über die Tastatur flogen, zeigte sie auch einen frischen, makellosen Sinn für Phrasierungen sowie eine Vielfalt an Klang, Dynamik und Farbe. Die eröffnenden Arpeggien schwebten mit müheloser Leichtigkeit filigran nach oben, doch das wahrhaft Beeindruckende war, dass Buniatishvilis Spiel, ganz gleich wie transparent, immer fest in einem wunderschön gewichteten Klang verwurzelt und sehr überzeugend war.
Wagners Tannhäuser-Ouvertüre schloss den Kreis der deutschen Vokaltradition, die mit dem Lied begonnen hatte und hier im opernhaften Gesamtkunstwerk gipfelte. Danach strömten wir hinunter ins Foyer, besorgten uns eine kleine Stärkung von einer der drei eigens aufgebauten Bars und schoben uns durch die Menge, um herauszufinden, was als nächstes geschehen würde. Das Vienna Symphony Jazz Project (VSJP), ein elf Mann starkes Ensemble von Symphonikern mit Faible für Jazz, machten sich schnell spielbereit. Nach einem frechen Arrangement von Also sprach Zarathustra, das dem Anlass angemessenes Gewicht gab, spielten Buniatishvili und Jordan Klaviermusik zu vier Händen, die mit einem Arrangement von Schuberts Marche Militaire begann und zu einem Potpourri von Klassikern überging. Das VSJP beschloss den Abend mit jazzigen bzw. Big Band-Arrangements von Tannhäuser, Liszts Liebestraum und Ravels Bolero.
Es lief nicht alles ganz glazz und es gibt einige technische Aspekte, die angegangen werden sollten, wenn das Konzerthaus dieses Format fortsetzen möchte. Rückkopplungen aus den Lautsprechern waren ein Problem, und das zeitliche Arrangement der formalen Konzerthälfte und der Pause zwischen den beiden Teilen des Abends sollte etwas straffer sein, um zu vermeiden, das Publikum zu verlieren oder seine Blasen überzustrapazieren. Abgesehen davon aber ist das Konzept wunderbar. Dem Publikum engeren Kontakt zu den Künstlern zu gewähren könnte ein Schlüssel für das Überleben einer zusehends elitären Unterhaltungsform sein. Außerdem würde ich wetten, dass die meisten Menschen im Konzerthaus heute Abend bei Ihrer Abreise viel entspannter waren als bei Ihrer Ankunft. Das Verlassen des Hauses glich hier mehr einem stetigen Tröpfeln im Verlauf des Abends anstelle des üblichen Gedränges an der Garderobe. Es war eine wunderschöne, unbeschwerte Art und Weise, sowohl Musik als auch Publikum noch ein wenig im Warmen nachklingen zu lassen, bevor sie in die Nacht strömten.
Aus dem Englischen übertragen von Hedy Mühleck

