Tosender Beifall und großes Staunen blieben zurück, als die Künstlerin das Konzertpodium verließ. María Dueñas hatte sich in Beethovens Violinkonzert nicht allein als überragende Interpretin, sondern in der Zugabe Hommage 1770 auch als Komponistin mit bewundernswerter Kreativität erwiesen. In beiden auch mit Mut und starkem Ausdruckswillen.

Beethovens Violinkonzert ist nun beileibe kein unbekanntes Werk. Man meint, es aus ungezählten Aufführungen genau zu kennen. Nicht einfach für eine Geigerin, sich damit an den berühmtesten Vorbildern messen zu lassen und doch einen eigenen Weg zu finden. Dueñas, noch nicht einmal zweiundzwanzig Jahre alt, hatte dieses Selbstbewusstsein. Sie bot eine ungemein reife und außergewöhnlich durchdachte, eigenständige Interpretation, die dem Publikum im Festspielhaus Baden-Baden große Bewunderung abnötigte.
Fern jeder Routine schien ihr Part gleichsam im Moment wie nachschöpferisch zu entstehen. Beethovens musikalischen Erzählfluss zu verfolgen, war das Spannende in diesem Konzert, denn auch Christoph Eschenbach ließ sich mit den Bamberger Symphonikern ebenfalls auf diesen Weg ein. Feinfühlig und nuanciert folgte er der Geigerin in Dynamik und Phrasierung, ließ ihr bei jedem Ton den Vortritt, war mit dem ganzen Orchester Partner der Solistin im selben Geiste.
Nicht allein musikalisch war diese Interpretaion überragend, María Dueñas zeigte mit ihrem Spiel auch technisch eine enorme Perfektion. Ihr reiner, bis in höchste Register kristallklarer Ton war beseelt, reich an Klangfarben und ungemein wandlungsfähig im Ausdruck. Dies kam in ganz besonderer Weise dem zweiten Satz Larghetto zugute, den Eschenbach für sie noch langsamer, eher als Largo, nahm. Die Solistin ließ ihre Geige singen und wer sich öffnete, dem begegnete hier reines musikalisches Glück.
Die Musik tief zu empfinden war das Eine, sie leuchten zu lassen, das Andere. Es waren die Kadenzen, in denen die Geige noch einmal mehr brillierte, wo überragende Technik und geistige Durchdringung im Spiel der Solistin zusammenflossen. In allen drei Sätzen spielte Dueñas ihre eigenen Kadenzen, in denen sie jeweils den Charakter des Satzes reflektierte und auf den Punkt brachte. Weit gingen sie über das Ausstellen bloßer Virtuosität hinaus, sondern bedeuteten produktive Erweiterung und kreative Veränderung: als Wechselspiel der Motive im ersten Satz, als emotional spannungsvolle Überleitung am Ende des zweiten und als kapriziöser Glanzpunkt im abschließenden Rondo. Dies wiederholte Dueñas noch einmal in ihrer Hommage an Beethoven, ihrer selbst komponierten Zugabe, wo sie überaus intelligent Motive Beethovens mit Spieltechniken der Moderne zu einer reizvollen Synthese brachte.
Nicht genug damit, erfüllten sich auch in Johannes Brahms' Erster Symphonie alle musikalischen Wünsche. Dieses Werk liebt man in Baden-Baden besonders, da es der Komponist hier während seines Sommeraufenthalts 1876 vollendete. Endlich war er aus dem Schatten Beethovens herausgetreten und legte als 43-Jähriger seine erste Symphonie vor. Ihren gegenüber Beethoven so unterschiedlichen Charakter arbeitete Christoph Eschenbach mit dem exzellent disponierten Orchester eindrucksvoll deutlich heraus. Auch hier wählte er eher langsamere Tempi, vor allem der erste Satz begann in schwerem Fluss, dennoch spannungsvoll und entwickelte sich in üppigem Klang machtvoll zum folgenden Allegro.
Klar gestaltete Eschenbach das Themengeflecht, gab der detailreichen Dichte der Brahmsschen Motivarbeit ihr Recht. Langsam nahm er auch das Andante mit schweren Akzenten auf der punktierten Note des Hauptmotivs, als könne sich hier jemand kaum aufraffen. Fein gestaltet war das Wechselspiel der wunderbar klangvollen Bläser im dritten Satz. Im vierten Satz ging dann Eschenbachs Dramaturgie seiner Interpretation herrlich auf. Vom erneut beschwerten Adagio steuerte er das Orchester über den erlösenden Ruf des (Alp-)Horns und den hier eminent feierlich klingenden Choral zum Durchbruch der Emotionen aus melancholischem Moll hin zum triumphalen C-Dur der Schlusscoda. So war doch wieder ein wenig an Beethoven erinnert: aus Dunkel zum Licht – bei Brahms: aus Einsamkeit und Melancholie hin zu Befreiung und Trost im Erleben von Natur und Religion. Beide für Brahms zentrale Bausteine von Glück; womit sich der Bogen zur ersten Hälfte dieses Konzertabends schloss.