Das Fünfte Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven in Kombination einer Tschaikowsky-Symphonie ist ein gängiges Programm klassischer Musik, wie es allerorts auf den Konzertspielplänen zu finden ist. Doch dargeboten vom Israel Philharmonic Orchestra mit ihrem israelisch-jüdischen Chefdirigenten Lahav Shani und Yefim Bronfman, einem Klaviersolisten ebenfalls jüdischer Abstammung, wird eine Europatournee zum Politikum. Die Konzerte konnten nur unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen stattfinden. Denn besonders seit dem Terrorangriff der Hamas gegen Israel am 7. Oktober 2023 hat die antisemitische Gewalt zugenommen.

Für dieses Konzert in der Kölner Philharmonie waren zahlenmäßig mehr Polizisten als Orchestermusiker im Einsatz. Glücklicherweise kam es in Köln nicht, wie tags darauf in Paris, zu Schlägereiern und dem Abfeuern von Rauchfackeln als Zeichen gegen das israelische Orchester, welches als Propagandaapparat der Regierung Benjamin Netanjahus dämonisiert wird. Die Sicherheitsbehörden ermöglichten in Köln einen einigermaßen reibungslosen Konzertablauf und bändigten die aggressiven Anti-Israel-Proteste, welche mehrmals im Versuch waren, das Konzert zu unterbrechen.
Ob bei der Programmplanung intendiert oder zufällig, fügen sich diese allgemeingültigen Werke der Konzertliteratur doch auch dem Wesen und der Identität dieses israelischen Spitzenorchesters, welches im Jahre 1936, noch 12 Jahre vor der Staatsgründung Israels, von dem Violinisten Bronisław Huberman aus geflohenen und vertriebenen Orchestermusikern zusammengestellt wurde: Das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 Es-Dur, Op.73 von Ludwig van Beethoven besticht mit seinem immer wiederkehrendem, heroisch anmutendem Charakter, einer explosiven Einleitung und einem marschartigen Thema.
Die vier Sätze der Symphonie Nr. 5 e-Moll, Op.64 von Peter Iljitsch Tschaikowsky sind durch ein Schicksalsmotiv sibyllinisch verwoben – ein „Vollständiges Sich-Beugen vor dem Schicksal oder was dasselbe ist, vor dem unergründlichen Walten der Vorsehung“ wie es der russische Komponist selbst einmal beschrieb. Beide kompositorischen Merkmale können parabolisch auch für das fortwährend bedrohte jüdische Volk verstanden werden, welches sich schicksalshaft seit jeher seiner eigenen Vernichtung ausgesetzt sieht, dieser jedoch beherzigt und kühn entgegenstellt.
Von all den politischen Hintergründen einmal abgesehen, war dies ein musikalisch phänomenaler Auftritt. Yefim Bronfman gestaltete als Solist das Klavierkonzert mit absoluter Präzision, dabei einer eher zurückhaltenden, subtilen wie intimen Phrasierung mit klarer Struktur und gedämpften Klang seines Flügels. Besonders im Adagio-Satz mit dem kongenialen Zusammenspiel der Streicher-Pizzicati wusste der Pianist zu berühren. Das Dirigat von Shani geriet in der Tschaikowsky-Symphonie, wie auch im vorangegangene Beethoven, im besten Sinne konventionell, um die Musik ganz aus sich selbst sprechen zu lassen. Shani war weder radikal schnell noch besonders langsam noch in irgendeiner anderen Art und Weise extrem, sondern einfach authentisch und unprätentiös: Ein herrlich ausbalancierter, sich organisch entwickelnder Orchesterklang, in welchem der Dirigent einen enormen Freiraum für die gefühlvollen Orchestersoli schuf. Shani musizierte ohne Dirigentenstab und reihte alle vier Sätze ohne Unterbrechung attacca – er dirigierte auswendig – aneinander.
Auf irgendeine Weise, und möge es Suggestion sein, rauschte durch diese beiden Klassiker so ein ganz frischer Wind. Und obgleich in der Coda des Finalsatzes eine etwas stärkere Charakterisierung möglich gewesen wäre, faszinierte Shanis Musizieren ganz ohne Pathos, Pomp oder Schmalz im geistvollen Miteinander seines Israel Philharmonic Orchestra.
Als Zugabe interpretierte der Dirigent Nimrod aus Edward Elgars Enigma-Variationen mit innig, berührendem Habitus. Das Israel Philharmonic Orchestra verlieh dem Konzertabschluss mit dieser Trauermusik ein besonders denkwürdiges, ergreifendes Ambiente.

