Maurice Ravel (1875-1937) gehört zweifelsfrei zu den bedeutendsten französischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Seine Werke zeichnen sich besonders durch ihre meisterhafte Orchestration, eine innovative Harmonik und ihre seltenen Rhythmen aus. Das in der Alten Oper gastierende Orchestre National de France unter Leitung von Cristian Măcelaru stimmte uns bereits jetzt auf das bevorstehende Ravel-Jubiläumsjahr 2025 ein.

Beatrice Rana © Simon Fowler | Warner Classics
Beatrice Rana
© Simon Fowler | Warner Classics

Die in Frankfurt präsentierten Klassiker des französischen Repertoires von Paul Dukas, Maurice Ravel und Igor Strawinsky (immerhin seit 1934 Staatsbürger Frankreichs) bestechen jeweils auf ihre eigene Art durch eine unverkennbare Rhythmik mit raffiniert facettenreicher Instrumentation. Das Orchester triumphierte augenblicklich mit der das Gastspiel eröffnenden Tondichtung Dukas', Der Zauberlehrling. Hörbar einzigartig wusste dieses Orchester seine Tradition mit dem richtigen Gefühl für den Charakter der französischen Musik in unverkennbar vielschichtige Klangfarben umzusetzen.

Im daran anschließenden Klavierkonzert in G-Dur von Maurice Ravel – es gilt als mitunter bedeutendstes französisches Werk seiner Gattung – glänzte die italienische Pianistin Beatrice Rana. Geradezu mühelos anmutend, dennoch technisch einwandfrei und in strenger Präzision schwebte Rana über die Tasten ihres Flügels hinweg. Ihr zunächst etwas distanziert wirkendes Spiel fand im Adagio assai zu starkem, tief berührendem Ausdruck. Die Leichtigkeit, verbunden mit absolut schnörkelloser Klarheit im Klang, ließ ihr Spiel so einzigartig werden. Die Pianistin dankte mit zwei Zugaben, u.a. dem einfühlsam, schönen Allegro leggiero aus Felix Mendelssohn Bartholdys Lieder ohne Worte.

Lediglich noch drei Jahre wird Cristian Măcelaru als Chefdirigent an der Spitze des Orchestre National de France stehen, bevor er von Philippe Jordan abgelöst werden wird. Der rumänische Dirigent legt den Fokus seines Wirkens, besonders während der Orchestertourneen, ganz auf die Identität seines Klangkörpers: das französische Repertoire. Er nähert sich laut eigener Aussage auch den populären, leicht zugänglichen Orchesterklassikern mit einer unabdingbaren Hingabe wie sich andere Dirigenten die Urtexte Beethovens aneignen. Eingespielte Manierismen aus einer missverstandenen Tradition seines Orchesters schiebt er in penibler Probenarbeit zur Seite, um wieder zum Kern der Intentionen des Komponisten zu finden.

Wie Cristian Măcelaru als Dirigent das Vordringen zum wahren Geist der Spätromantik gelingt, zeigte er nach der Pause mit Strawinskys Orchestersuite Der Feuervogel, in der Fassung aus dem Jahr 1919. Er arbeitete die vielschichtigen Klangfarben der spätromantisch-impressionistischen Instrumentation heraus und vermied den inhaltsleeren Effekt um seiner Selbst Willen. Durch bewusst gesetzte, nie überzogene Akzente in einem fließendem Vorantreiben entnahm er die Partitur die Geschichte, und wurde so zum musikalischen Erzähler: Spannungsvoll ließ Măcelaru die Geschichte um den jungen Prinzen Iwan auf der Jagd nach dem Feuervogel im Garten des Zauberers Kastschej erklingen.

Mit dem Bolero von Maurice Ravel endete das Konzert genauso triumphal wie es begann. Dieses Bravourstück erklang fein abgestimmt, zunächst äußerst zurückhaltend lediglich in seinen Klangfarben akzentuiert in einem unisono ansteigenden, behutsamen ausbalancierten Crescendo. Măcelaru versprühte eine unglaubliche Sensibilität, welche den Bolero klanglich abrundete und diesen geradezu elegant, und nur ganz am Schluss, im Klimax, als Überwältigung hereinbrach.

Im kommenden Jahr wird die Musikwelt den 150. Geburtstag des Komponisten Maurice Ravel feiern. Das Orchestre National de France unter der Leitung von Cristian Măcelaru legte die Messlatte für das französische Repertoire besonders hoch. Derart authentisch und unprätentiös hat Ravel schon lange nicht mehr geklungen.


Das Konzert wurde von Pro Arte Frankfurt veranstaltet. 

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