Es wäre eine große Täuschung, bei dem Bühnenbild dieser Produktion an ein Traumschiff zu denken; Il trittico zeigt alles andere als eine idyllische Kreuzfahrt. Giaccomo Puccini drei sehr unterschiedliche Einakter haben vielmehr düsteren, tragischen und auch sarkastischen Charakter, dennoch spielen sie in der Inszenierung von Claus Guth in einer einzigen Kulisse eines modernen Passagierdampfers: Die Regie hat nach einem verbindenden Gedanken zwischen den Stücken gesucht und ihn in der Metapher eines Totenschiffs gefunden. In allen drei Kurzopern wird nicht nur (wenn auch verschieden) gestorben, Tote werfen auch schicksalsträchtig jeweils ihre Schatten auf die Gedanken, das Fühlen und Handeln der Protagonisten. Als personifizierte Traumata wandeln sie in den Stücken zwischen den handelnden Figuren oder verharren ruhend im Oberdeck dieses Bühnenbild-Schiffes.
In den beiden ersten Teilen wird vor allem der Schmerz über verstorbene Kinder handlungsbestimmend. In Il tabarro haben sich Giorgetta und Michele nach dem Tod ihres Kindes entfremdet; aus Eifersucht bringt Michele seinen Nebenbuhler Luigi um. In Suor Angelica geht es um eine Adlige, die zur Strafe für einen Fehltritt ins Kloster verbannt wurde, wo ihr über Jahre hinweg der Tod ihres Kindes verschwiegen wird. Als sie schließlich davon erfährt, vergiftet sie sich. Und die dritte Oper, eine ebenso burleske wie böse Farce, nimmt die raffgierige Verwandtschaft eines soeben verstorbenen reichen Onkels aufs Korn. Die Titelfigur, der gerissene Gianni Schicchi, den die Hinterbliebenen zwecks Testamentsfälschung einspannen, trickst sie aber zu seinem eigenen Vorteil aus. Das so ergatterte Vermögen kommt nun seiner Tochter zugute und hilft der (in Frankfurter Sicht) Hochschwangeren als willkommene Mitgift aus einer Klemme. Als finaler Knalleffekt wird Gianni Schicchi von irgendeinem der betrogenen Betrüger aus der blamierten Familie aus Rache erschossen - ebenfalls ein Detail, das in dieser Inszenierung hinzugefügt wurde.
All diese Konstellationen vermittelt die Inszenierung nun nicht durch naturalistische Nachahmung der originalen Schauplätze, sondern mittels einer psychologisch überaus genauen und anschaulichen Personenführung. Dass dies gelingt, ist einem Ensemble zu danken, das ohne Ausnahme mit Talent und Hingabe seine Rollen spielt und zudem hervorragend singt; beeindruckend dabei auch, wie wandlungsfähig einige der Sängerdarsteller in mehreren Einsätzen die Charaktere der Rollen wechseln und diese doch jedes Mal überaus glaubhaft verkörpern.
So überzeugt etwa die Mezzosopranistin Suzanne Hendrix (als Gast an der Frankfurter Oper) als Angelicas gefühllose, eiskalte Tante stimmlich und darstellerisch ebenso wie später in der Komödie als eine grotesk geldgierige Alte. Frankfurt kann sich bei dieser Produktion aber auch auf bewährte Ensemblemitglieder stützen, zu denen unter anderem Vincent Wolfsteiner gehört, der in der Rolle des Schiffers Luigi in Il tabarro eine ausnehmend gute Figur macht. Puccini hat diesem von äußerer Not und inneren Selbstzweifeln gedrückten Arbeiter ein besonders emphatisches Arioso zugeschrieben, welches Wolfsteiner mit heldisch aufleuchtender Stimme zu einer verzweifelten Anklage gegen seine missliche Lage gestaltet.
In manchen Rollen seiner drei kurzen Spätwerke sind Puccini brillante Charakterportraits gelungen, darunter in Il tabarro die Gestalt der Frugola, die in dieser Produktion zur Putzkolonne des Dampfers gehört und aus einem Sack voll gesammelter Abfälle begeistert noch alles mögliche Brauchbare findet. Claudia Mahnke gibt dieser skurrilen Gestalt anschaulich Kontur. Auch drei der Klosterschwestern in Suor Angelica haben besonderes persönliches Profil, welches Judita Nagyová, Louise Alder und Danae Kontora überzeugend ausspielen. Der Frauen- und Kinderchor der Frankfurter Oper trägt entscheidend zur atmosphärischen Stimmigkeit der fast sektenhaft autoritären und gefühlssterilen Klosteratmosphäre bei.
Vor allem eine Arie aus dem Trittico hat wahrhaft Unsterblichkeitscharakter erlangt: „O mio babbino caro“, das Lied Laurettas, mit dem sie ihren Vater Gianni Schicchi umgarnt, damit sich dieser überhaupt auf das Spiel mit der intriganten Familie Donati einlässt. Dies sind in Frankfurt die zwei Minuten der Sopranistin Maria Bochmanova - zwar kurze, dennoch vokale Glücksmomente voll lyrischer Innigkeit und einschmeichelnder Schönheit. Als ihr Partner Rinuccio glänzt der Tenor Arthur Espiritu mit prachtvoll strahlender Höhe.
In jeweils zwei Hauptrollen sind die Sopranistin Elza van den Heever und der Bariton Željko Lučić zu erleben, beide mittlerweile Global Player der Opernwelt, dennoch hier keine Stars, die sich über das übrige Ensemble erheben würden. Beide fügen sich enorm präsent in die szenische Konzeption ein und zeigen ihre großartigen Stimmen. Van den Heever gibt eine in ihren Gefühlen zerrissene Giorgetta und eine bis zu erlösender Ekstase sich steigernde Nonne Angelica. Der Schiffer Michele wird in Lučićs Gestaltung ein depressiv Verzweifelter; den Gauner Gianni Schicchi spielt er mit hinreißender Komik.
Einmal mehr wird auch in dieser Produktion das Frankfurter Opernorchester zu einem Star des Abends. Unter der famosen Leitung von Jakub Hrůša setzt es Puccinis ungemein farbige Klangwelt bis ins Detail hinein transparent um und spielt in allen Gruppen mit sensiblem Klanggefühl bestechend schön. Sei es die Pariser Jahrmarktsmusik der ersten, die sakrale Atmosphäre der zweiten oder auch die grotesken Karikaturen der dritten Oper: Was an Lokalkolorit das Bühnenbild nicht bietet, malt umso plastischer und einprägender der Orchesterklang aus. So erhielt jeder der Teile eindrucksvoll seine eigene musikalische Farbe.