Die junge Ausnahme-Pianistin, Jeneba Kanneh-Mason, die kürzlich erst einen Exklusivvertrag mit Sony Classical unterschrieben hat, war bei Rachmaninows Zweitem Klavierkonzert mit den Münchner Symphonikern in der Isarphilharmonie von Anfang an hoch konzentriert bei der Sache, ganz im Dienste des Werks und der Musik. Sie profitierte dabei nicht nur von ihrer brillanten Technik, wobei ihr allein schon die großen Hände und langen Finger bei den unerhört schwierigen Akkordspreizungen und diffizilen Läufen zugutekamen, sondern auch von ihrem untrüglichen Instinkt für den Gesamtklang mit dem Orchester. Nie hatte man das Gefühl, dass sie sich sonderlich anstrengen musste, ihre Bewegungen waren höchst ökonomisch, reduziert, aber auch natürlich elegant und schwingend; ihr Sinn für Linien und Phrasen erstaunlich reif und nur in wenigen Passagen ein wenig zu akademisch zurückhaltend.

Den ersten Satz hat man schon schneller gehört, aber selten harmonischer im Zusammenspiel zwischen Orchester und Solo-Part. Jedenfalls nach anfänglichen kleineren Unstimmigkeiten im Orchester, das jedoch schnell zu gewohnter Meisterschaft und Spielfreude fand. Spätestens mit der Durchführung und den atemberaubenden Modulationen bis zum entlegenen Gis-Dur spielte das Orchester ganz aus einem Guss. Dass man sich bei Rachmaninows Zweitem Klavierkonzert entspannt zurücklehnen und „einigen der schönsten Melodien der klassischen Musik“ lauschen kann, wie es Kanneh-Mason selbst bei einem Interview anlässlich dieses Konzerts ausdrückte, ist bemerkenswert. Womöglich auch deshalb, weil man bei Rachmaninow hie und da mit einer Prise Diabolik und Magie aus den Sitzen auf die Stuhlkante gerückt werden möchte. Das jedoch ist nicht der Stil von Kanneh-Mason, und deshalb wäre es vermessen, sie dafür zu kritisieren. Es zeigt aber, dass selbst eine in so jungen Jahren schon so komplette Künstlerin noch Entwicklungspotential hat, auf das man gespannt sein darf.
Im zweiten Teil des Konzerts interpretierten die Münchner Symphoniker unter der chinesischen Dirigentin Yue Bao die Symphonie Nr. 1 g-Moll „Winterträume“, Op.13 von Tschaikowsky. Tschaikowsky ist nicht nur wie Rachmaninov ein Meister der ohrwürmelnden Melodien, sondern auch einzigartig in seinem Gespür für Instrumentierung. Wenn zu Beginn Soloflöte und Solofagott die Exposition im Doppeloktavabstand auf den Klangteppich der Geigen legen, dann klingt das zugleich lyrisch-romantisch, aber auch klirrend kalt durch den Diskant der Querflöte. Unmittelbar schwebt man über sibirische Landschaften gefrorener Seen durchflutet von gleißendem Sonnenlicht.
Die Münchner Symphoniker waren bestens eingestimmt auf diese Traumreise und man merkte Yue Bao an, dass sie alles im Griff hatte und keine Risiken eingehen wollte. Ähnlich wie Jeneba Kanneh-Mason im ersten Teil des Konzerts ist auch Yue Bao eine höchst konzentrierte und kontrollierte Künstlerin, und sie verfügt in gleicher Weise über eine geschmeidig-elegante Ökonomie der Bewegungen, die sich auf das Orchester übertrugen und so eine gespannte Fröhlichkeit erzeugten.
Zurab Gvantseladze an der Solo-Oboe spielte besonders die sehnsuchtsvolle Melodie im zweiten Satz berückend schön und führte ein ums andere Mal die Holzbläser mit sanften und doch markanten Impulsen zu einer homogenen Gesamtleistung, die auch vom Publikum besonders gerühmt wurde. Die anderen Solisten waren gleichermaßen präsent und überzeugend; da störten auch ein paar kleine Ausrutscher der Hörner nicht weiter, denn klanglich war das Blech hervorragend austariert. Im letzten Satz konnten alle Musiker*innen nochmals ihre Klasse zeigen und die Schlagzeuger beendeten diese wunderbare Wintermatinée präzise und schmissig.