Die kurze Zwischenstation in Frankfurt – das alljährliche Konzert der Berliner Philharmoniker, bevor sie von dort die Reise zu ihrer aktuellen Asientournee antreten – ist mittlerweile eine bewährte wie geschätzte Tradition des Spitzenorchesters. Im Gepäck nach Taiwan, China, Japan und Südkorea haben die Philharmoniker und ihr Chefdirigent Kirill Petrenko u.a. ein Konzertprogramm mit deutschen Klassikern, das romantischer nicht hätte sein können: Schumann, Wagner und Brahms‘ Erste, welche die enge geistige Verwandtschaft mit Beethoven referenziert.

Kirill Petrenko © Monika Rittershaus
Kirill Petrenko
© Monika Rittershaus

Den Auftakt des Abends bildete Robert Schumanns Manfred Ouvertüre. Es ein komplexes, heutzutage etwas in Vergessenheit geratenes Werk und gerade deshalb ein genialer Konzerteinstieg. Petrenko ließ augenblicklich aufhorchen: Der rastlose Held mit seiner rasant vorbeijagenden, dramatischen Motivik wurde durch die extrem genaue, scharf charakterisierte Artikulation des Orchesters erlebbar.

Die Musiker*innen der Berliner Philharmoniker engagieren sich auch als Solo- und Kammermusiker*innen und wussten diese Qualität im darauffolgenden Siegfried-Idyll von Richard Wagner mit kleinerer Bläserbesetzung und dennoch stark besetztem Streicherapparat unter Beweis zu stellen und so einen antiklimatischen Kontrapunkt zu Schumann zu bilden. Die spürbare Intimität im harmonischen Miteinander sowie der ausgeprägte und unter Petrenko weiter kultivierte Klang des Orchesters suchten wahrlich ihresgleichen. 20 Minuten pastorale Harmonie in austarierter Perfektion als Horsd'œuvre für das anstehende große Wagnerprojekt des Dirigenten mit seinen Philharmonikern: der auf fünf Jahre verteilte Ring des Nibelungen bei den Osterfestspielen in Salzburg.

Den wahrlich krönenden Abschluss des Abends bildete Johannes Brahms‘ Symphonie Nr. 1 c-Moll, Op.68, bei der es sich Petrenko und die Berliner nicht nehmen ließen, zu zeigen, dass sie unangefochten die Pole Position auf dem Treppchen der weltweiten Spitzenorchester innehaben. Brahms als Paradestück mit einer sehr dichten, von getriebener Dringlichkeit geprägten Interpretation. Es ist ein Werk, mit welchem sich Brahms an Beethoven messen lassen wollte, und an dessen Komposition er fast 14 Jahre gearbeitet hat. Die Haupttonart c-Moll und der Ansatz „durch Nacht zum Licht“ – also von Moll zu Dur – ist eine Hommage Brahms‘ an Beethoven.

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Kirill Petrenko dirigiert die Berliner Philharmoniker in der Alten Oper Frankfurt
© Monika Rittershaus

Petrenko fand einen sehr emotionalen Zugang zu dem Werk, das Licht der Partitur genoss bei ihm jedoch stets den höheren Stellenwert seiner Interpretation. So behielt er die friedliche Grundstimmung des Siegfried-Idylls über die Konzertpause bis in den Kopfsatz der Brahms-Symphonie bei und zeigte mit effektvollem, ganz großen Klangvolumen und nie enden wollenden Steigerungen, zu was sein gut geschliffener Klangkörper in der Lage ist. Eine imposante Darbietung, und doch wäre an mancher Stelle ein Innehalten oder stärkerer farblicher Kontrast in die finsteren Klänge des Werks, etwa das Erzählen einer Geschichte im Ringen des Komponisten mit sich selbst, wünschenswert gewesen. So rasant und bombastisch sich die Klänge Petrenkos in Perfektion harmonisierender Tutti-Passagen auch steigerten, so folgerichtig evozierten diese Jubel und stehende Ovationen. Ein Tourneeauftakt, der in der erst begonnenen Saison der Alten Oper Frankfurt bereits den Status eines musikalischen Highlights erreicht und doch etwas unter Petrenkos Klangschönheit die analytische Tiefe missen ließ.

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