Der Albtraum jedes Opern-Intendanten: am Vortag einer Premiere erkrankt die Sängerin der Titelrolle! So geschehen an der Bayerischen Staatsoper zur Premiere von Richard Strauss' Die Liebe der Danae. Ein Werk, das nur selten auf die Spielpläne kommt; in diesem Fall lag die letzte deutsche Aufführung fast zehn Jahre zurück. Aber welch Wunder: bei der Suche meldet sich die Danae ebendieser Produktion und sagt zu, wenigstens von der Bühnenseite aus zu singen. Manuela Uhl, erfahrene Strauss-Sängerin, schöpft beim Reaktivieren der Rolle in 24 Stunden den Mut, ohne Noten auch szenisch in der Neueinstudierung mitzuwirken. Zum Glück leitete schon vor zehn Jahren Sebastian Weigle das Orchester. Die Schneider-Werkstätten ändern flugs Danaes Kostüme, der Fotograf macht neue Premierenfotos: es wurde ein ergreifendes Opernerlebnis.
Richard Strauss' vorletzte Oper mixt zwei antike Mythen, neu aufbereitet von Hugo von Hofmannsthal, mit dem Strauss über 20 Jahre hinweg einen regen Briefwechsel geführt hatte. Er dichtete selbst am Libretto, schließlich vollendete Joseph Gregor die Textfassung. Danae steckt nun voller Ironie, Eleganz und frechen wie hintersinnigen Dialogen: die Geschichte einer Frau, die für sich und ihre Liebe erfolgreich gegen Staatsraison und Götterwillkür kämpft. 1944 fand nur eine nichtöffentliche Generalprobe in Salzburg statt, erst 1952 erfolgte dort die endgültige Uraufführung.
Noch in der Barockzeit oder in Richard Wagners Ring undenkbar: Jupiter, der Gott, tritt beiseite und macht den Weg frei für das Glück zweier Menschen. Jupiter, wie so oft auf Freiersfüßen, und der ihm durch einen Pakt verbundene König Midas, der zu Gold macht, was er berührt, verlieben sich beide in die hübsche, jedoch arme Danae, deren Vater Pollux, Herrscher über ein bankrottes Reich, die aufgebrachte Gläubigerschar besänftigen muss. Da käme ein Goldregen gerade recht. Doch Danae verliebt sich in Midas, den Jupiter verkleidet vorgeschickt hatte, und bleibt auch dabei, als Jupiter wegen seiner verletzten männlichen Ehre mit göttlicher Wut droht. Merkur schließlich und vier Göttinnen, ehemals Gespielinnen des Göttervaters, können ihn umstimmen. Für Midas, jetzt ein einfacher Eselstreiber, und Danae die Aussicht auf ein Happy End.
Ist die Oper nun „heitere Mythologie“, wie es im Untertitel heißt, oder doch eine Tragödie? Claus Guth, der zuletzt an der Staatsoper Händels Semele inszenierte, findet in Danae auch wegen des 1940 kriegsgeprägten Umfelds eine totale Götter- und Menschheitsdämmerung. Alle Ordnung scheint verlorenzugehen, die Götter sind abgewrackt. Als neue Gottheit wird das Gold angebetet. Danae trägt als Einzige ein Leuchten in sich, eine tiefe Ernsthaftigkeit und Obsession, die sie weiterträgt. Sie ist erneut eine der typischen Figuren, wie Richard Strauss sie immer wieder geschaffen hat: eine Frau, die ihre Eigenständigkeit entdeckt, ihre eigene Kraft und Freiheit. Gold bedeutet für sie eine Begegnung mit purer Schönheit, bannt sie intuitiv durch den Zauber seines Glanzes.