Dass die Matineen bei den Salzburger Festspielen bereits um 11:00 beginnen ist Jahr für Jahr durchaus eine gewisse Herausforderung für Langschläfer – aber für die Wiener Philharmoniker und Yannick Nézet-Séguin opfert man doch gerne ein bisschen Schlaf und begibt sich ungewohnt früh ins Große Festspielhaus. Vor allem wenn sich an der Salzach ausnahmsweise mal ein Hauch von Bayreuth-Feeling einstellt, denn am Programm stand an diesem Sonntag in der vorletzten Festpielwoche des Sommers ausschließlich Richard Wagner.

Loading image...
Yannick Nézet-Séguin
© SF | Marco Borrelli

Zum Einstieg erklang das Vorspiel zu Lohengrin ganz wunderbar flirrend und ätherisch, mit herrlichen Pianissimi in den Streichern, sodass man den nahenden Schwan beinahe vor dem inneren Auge zu sehen vermochte. Die Steigerungen in der Dynamik wurden von Orchester und Dirigent fein herausgearbeitet und sorgten so für einen stimmungsvollen Beginn. Beim folgenden Siegfried-Idyll wurde klangschön und mit viel Zartheit in langsamen Tempi geschwelgt, wodurch der zweifellos schönen Idylle jedoch etwas die Akzente fehlten.

Nach der Pause ging es dann mit deutlich mehr Dramatik und Kraft weiter: nämlich mit dem ersten Aufzug der Walküre, wobei Nézet-Séguin das Orchester schon im Vorspiel ordentlich aufpeitschte und es krachen ließ. Manchmal ging dieser dirigentale Überschwang allerdings auch zu Lasten der Sänger, denn besonders in den letzten Minuten, wenn das Wälsungenblut so richtig aufblüht, wurde das Orchester so laut, dass Sieglinde und Siegmund in ihrem Wiedersehen- und Liebesrausch beinahe zur gesanglichen Randnotiz wurden.

Leider schien Stanislas de Barbeyrac als Siegmund ganz generell keinen besonders guten Tag erwischt zu haben. Die Stimme klang von Beginn an kehlig verschattet – vom strahlenden Helden, der Siegmund sein sollte, war nicht viel zu hören. Nach dem Wälse-Rufen wirkte sein Tenor zunehmend angestrengt, sodass man froh war, dass nur der erste Aufzug und nicht die ganze Oper am Programm stand. Dazu kam das Problem der kaum vorhandenen Textverständlichkeit – der Aspekt des Storytellings der Partie ging dadurch völlig unter.

John Relyea (Hunding), Stanislas de Barbeyrac (Siegmund) und Elza van den Heever (Sieglinde) © SF | Marco Borrelli
John Relyea (Hunding), Stanislas de Barbeyrac (Siegmund) und Elza van den Heever (Sieglinde)
© SF | Marco Borrelli

In einer anderen Liga bewegte sich Elza van den Heever, denn ihr kraftvoll strahlender Sopran bringt alles mit, was eine Sieglinde braucht. Da bahnten sich klare Spitzentöne ihren Weg bis in den hintersten Winkel des Festspielhauses und dank ihrer klaren Diktion und dem nuanciertem Einsatz von Klangfarben und Emotionen konnte sie die Figur auch in diesem konzertanten Rahmen glaubhaft und facettenreich zum Leben erwecken.

Sehr polternd legte John Relyea den Hunding an, wobei das auch schon die einzige Facette war, die er der Rolle abgewinnen konnte. Das Timbre seines Basses glänzte dabei zwar nicht durch Schönheit, aber für die Partie des grobschlächtigen Eifersüchtlings passte diese Interpretation ganz hervorragend.

Der eigentliche Star des Vormittags waren aber ohnehin die Wiener Philharmoniker, die vom Publikum beim Schlussapplaus zurecht frenetisch gefeiert wurden, denn der für dieses Orchester typische weiche Klang verband im Rahmen dieses Vormittags erzählerische Kraft, sanften Lyrizismus und einen Reichtum an Farben mit sorgfältig ausgearbeiteten Nuancen, der seinesgleichen sucht.

***11