Nachdem im Sommer der metaphorische Paukenschlag erfolgt war, dass sich Sir John Eliot Gardiner und seine „Montis“ nach 60 Jahren höchst erfolgreicher Arbeit trennen, begab sich der von vielen Musikern zuvor für eine versöhnende Wiedereinsetzung Gerufene umgehend an ein nächstes Projekt: Die Gründung neuer Formationen mit alten Vertrauten – darunter allen English-Baroque-Soloists-Stimmführern – und frischen Mitgliedern.

Sir John Eliot Gardiner dirigiert The Constellation Choir & Orchestra © Hans van der Woerd
Sir John Eliot Gardiner dirigiert The Constellation Choir & Orchestra
© Hans van der Woerd

Sie treten fortan unter dem Namen The Constellation Choir and Orchestra auf, zum einen benannt nach Gardiners im April 2025 erscheinenden Buch über Monteverdi sowie von jener Blütezeit inspirierte Künstler; zum anderen nach der neu strukturierten Dachorganisation Springhead Constellation in Dorset, wo neben den umweltedukativen Aktivitäten des Springhead Trust ein jährliches Festival in Anlehnung an die Theatertradition Gardiners Eltern stattfindet. Und mit ihnen macht er mehr als deutlich seiner alten Musikheimat Konkurrenz, noch dazu bei erstem Auftritt zeitgleich mit identischem Programm, den Bachkantaten BWV36 und 110 sowie Charpentiers Messe de Minuit pour Noël.

Nach erstem Konzert in der Elbphilharmonie, in der pikanterweise Ehemalige und Neue innerhalb einer Woche gastierten, dem zweiten in Wien und dritten in Luxemburg absolvierten Gardiner und The CCO ihr viertes im Konzerthaus Dortmund. Schon nach der Kantate Schwingt freudig euch empor heimste der Brite dabei Bravi des auch längst versöhnten und erwartungsfrohen Publikums ein – verständlich, stand es vor allem unter dem Eindruck einer ebenfalls mit Zwischenapplaus goutierten, von Marie Luise Werneburg (natürlich wie alle Solisten auswendig) sensationell artikulierten und entzückenden, von Konzertmeisterin Kati Debretzeni in Pianissimostufen gleichfalls überwältigend dargebotenen Sopranarie „Auch mit gedämpften, schwachen Stimmen“, der Gardiner inmitten des Orchesters lauschte; sowie eines theatralisch frei aufsingenden, imposanten Bassbaritons Alex Ashworths und der Choräle, die – allerdings neu mit kurzer Orgelinterpolation James Johnstones – nahtlos an die alte Stärke unvergleichlicher Choralwucht früherer Monteverdi-Klasse anknüpften.

Ebenso setzte der Dirigent sofort mit dem Eingangschor zur Kantate BWV36 sein Erfolgskonzept fort, dem Text zu überragend lebendigem, bildhaftem Ausdruck zu verhelfen, wenn Deklamation, Phrasierung und dynamisch modulierte Kontrastfülle das „freudige Schwingen“ genauso effektiv kennzeichneten wie das „doch haltet ein“. Zwar waren auf diesem Level vereinzelt minimale Unebenheiten im sonst überreich strotzenden Kraftgefüge und auch Peter Davorens festere Grundtendenz bei allem lieblichen Temperierungs- und deutlichen Phrasierungsbemühen zu vernehmen, doch vermittelten der Chor und das konturiert verlockende, warm zelebrierende Orchester mit weiteren Solisten Michael Niesemann an der Oboe d’amore und Györgyi Farkas am Fagott ein unnachahmlich musikalisches Flair, das Gardiner wie eh und je beherrscht. Das untermauerten auch Werneburg und Mezzo Eline Welle im Duett „Nun komm der Heiden Heiland“, das sie in ihrer stilistisch puren, offenen, klaren, herzlich-sanften, ja angenehmsten Vortragsart ewig weiter hätten spinnen können.

Mit folkloristischer, rhythmisch und gleichsam typisch dramatisch durchwirkterer, funkenüberspringender Zuversicht in den Backen gingen The CCO und Gardiner Charpentiers Messe an, die damit – als wollte man die italienische Geschmacksseite besonders herausstellen – viele neue Höreindrücke verschaffte; einerseits als Kontrast zur seidig-gediegeneren, kontemplativeren französischen, hier gewohnten, Klangsprache, andererseits in Kontinuität zum weihnachtsbotschaftlichen, liedhaften Frohlocken in voller, ins Herz schießender Pracht und – vereinzelt etwas brachialerer – Kraft. Unter den zahlreichen vokalsolistischen und instrumentalobligaten Einsätzen von Winne, Davoren, Ashworth, Ben Alden, Jack Comerford beziehungsweise Rachel Beckett, David Westcombe, Kinga Gáborjáni, Thomas Dunford, Debretzeni und Anne Schumann seien mit Werneburg und Sam Cobb die extrem feinen und höhendelikaten Soprane herausgegriffen.

Hatten sich die Geigen und Bratschen mit den Trompeten (Neil Brough in späterer, von Ashworth erneut ansprachefasslich intonierten Bassarie „Wachet auf, ihr Adern und ihr Glieder“ mit exzellentem Solo) zum Eröffnungschor der Bachkantate Unser Mund sei voll Lachens mit megaschnellem Allegro erhoben, standen nach weiteren genüsslichen Arien, dem Choral und der berührenden Zugabe des Praetorius-Klassikers Es ist ein Ros‘ entsprungen die Zuhörer, um diese Bühnenrückkehr überschwänglich zu bejubeln.

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