Die Welten des Kurt Weill, sie stehen im Mittelpunkt des ersten Konzertes des Berliner Konzerthausorchesters unter seiner Chefdirigentin Joana Mallwitz im Jahr 2024. Mit der Symphonie Nr. 2, seinem ersten im Pariser Exil vollendeten Werkes, und dem Ballett mit Gesang Die sieben Todsünden, in der französischen Hauptstadt uraufgeführt, entführen Orchester und Dirigentin die Zuhörer*innen in die mannigfaltige und vielschichtige Welt und den einzigartigen Klang des in Dessau geborenen Komponisten.

Vorangestellt ist Weills Werken der Tanz der sieben Schleier aus Richard Strauss Salome. Einer Oper, die laut Mallwitz in der Konzerteinführung „so ziemlich jede Todsünde“ enthalte. Erwartungsgemäß forsch stürzt die Dirigentin sich und ihr Orchester in den Schleiertanz. Mit klarer Zeichensprache formt Mallwitz die Strauss’sche Klangmelange. Das zahlt sich aus, im Vergleich zu den ersten Konzerten dieser Saison mit Mallwitz als Chefin klingt das Konzerthausorchester bereits deutlich präziser und geschmeidiger. Hochspannungsmusizieren bis zum funkensprühenden Höhepunkt.
Brillante Streicherklänge, abgründige Melodien, fatalistische Märsche – Kurt Weills Zweite Symphonie ist eine Zeugin ihrer Zeit. Reminiszenzen von Mozart bis Mahler kombiniert mit den Schrecken der frühen Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts. Weills zugleich letzte Symphonie ist voller Ambivalenzen, die das Konzerthausorchester unter Joana Mallwitz gekonnt auszuloten weiß. Viel Dramatik und Gespanntheit. Doch besonders berührend sind die intimen Momente des zweiten Satzes zwischen Flöte und Solocello sowie dem anschließenden Posaunensolo. Im finalen dritten Satz geraten die Orchestersektion leicht aus dem Gleichgewicht; an einigen Stellen droht der teils üppige Streicherklang die für die Weill’sche Klangsprache so wichtigen Bläser zu überdecken. Trotzdem freut man sich, Weills noch immer selten gespielte rein symphonische Werke unter Mallwitz – sie begann ihre Amtszeit im Konzerthaus unter anderem mit Weills Symphonie Nr. 1 – häufiger zu hören.
Kapitalismuskritik pur: Als Hauptwerk des Abends folgen Die sieben Todsünden. Die letzte Kooperation zwischen Weill und Bertolt Brecht über die Schwestern Anna 1 und Anna 2, die in Wahrheit eins sind, „eine Vergangenheit und eine Zukunft, ein Herz und ein Sparkassenbuch“ teilen. An diesem Abend wird das „Ballett mit Gesang“ sogar mit szenischem Anstrich (Regie: Katrin Sedlbauer) dargeboten. Leider wird das gesamte Stück von der mehr als suboptimalen akustischen Balance zwischen dem Orchester und den durch Mikrofone verstärkten Sänger*innen überschattet.
Sowohl Katharine Mehrling als Anna 1 als auch insbesondere das Männerquartett aus Michael Porter, Simon Bode, Michael Nagl und Oliver Zwarg klingen übersteuert und schlichtweg zu laut. So tritt das Orchester, trotz bester Versuche eines differenzierten Klangbildes, so in den Hintergrund, dass kein wirklich aussagekräftiges Urteil über die musikalische Leistung getroffen werden kann. Eine echte Wohltat ist da der a cappella-Satz des Männerquartettes in der Völlerei, der unverstärkte warm-weiche Klang der Stimmen ist eine kurze Insel der akustischen Glückseligkeit. Mehrling, die wohl bekannteste Weill-Interpretin unserer Tage, begeistert dennoch mit bekannt verführerisch-mesmerisierenden Klang. Yui Kawaguchi komplettiert mit expressivem Tanz als Anna 2 die gespaltene Persönlichkeit.