Nach den schwierigen Jahren der Pandemie und des davon gebeutelten Konzertbetriebs hat mich 2022 eine Nachricht besonders entzückt: die Wiederbelebung des European Union Baroque Orchestra. Bis zur Einstellung dessen Arbeit Ende 2018, bedingt durch den vom Brexit beeinflussten Umzug vorherigen Hauptquartiers Woodstock nach Antwerpen und die dann trotzdem in merkwürdiger Manier ergangene Streichung der EU-Subventionen, hatte ich das jeweils saisonal neu zusammengestellte Ensemble junger Angehöriger der europäischen Kaderschmieden historischer Aufführungspraxis und Alter Musik lange verfolgt.

Mario Martinoli, Co-Gründer und -Präsident der italienischen Kommunikations- und Wirtschaftsagentur iCONS, die neben Projekten der EU-Institutionen im Innovations- und Forschungsbereich zudem mit auf die Beine gestelltem Theresia Orchestra ein musik-philantropisches Anliegen betreut, dachte sich, dieses zu erweitern. Nämlich dem auf klassisches Repertoire auf authentischen Instrumenten beschränkte Orchester dasjenige für Barock an die Seite zu stellen und die Arbeit hinsichtlich dem sozialkuturellen Verbinden junger Menschen innerhalb der EU in Anerkennung bisheriger Leistung des EUBO seit 1985 respektabel fortzusetzen beziehungsweise zu reaktivieren.
Obwohl auch selbst Musiker und offiziell künstlerischer Leiter, überlässt Martinoli das Kerngeschäft dabei verständlich den bekannten Profi-Namen von Instrumentalisten und Dirigenten der Szene. Nach dem Wiedergeburtskonzert am 28. November letzten Jahres in Ravenna mit Theresia- und EUBO-Bekanntem Alfredo Bernardini (auch Auditionsverantwortlicher) und dem September-Gastspiel in Polen mit Enrico Onofri, lag die jetzige Konzertleitung des neuen Restart-Jahrgangs in den Händen von Landsmann Francesco Corti. Sie fand zeichensetzend in Belgien statt. Beginn war in der Dependance von 2017/18, AMUZ Antwerpen, auf dem Programm große (Tanz-)Musikliteratur der – ebenso symbolisch – wiedervereinigten (französischen, italienischen, deutschen) Stile aus Frankreich und Deutschland.
Zunächst war das Bachs Erstes Brandenburgisches Konzert, in dem das EUBO den von Corti in gewohnt ansprechender Weise herausgehobenen Rhythmus physisch mitging und die erste Stufe des aufgefahrenen Schwungs eines Neuanfangs zündete. Zwar gelangen nicht alle herausfordernden Horn- und Violinsolopassagen in den beiden Allegri des ursprünglich dreiteiligen Jagdkonzertsatzes, doch glichen diese die drei Oboen und das Fagott, an dem sich Hannah Voß aufgrund ihres in Klangkultur und Technik vorzüglichen Spiels über den gesamten Abend eine unbedingte Extraerwähnung verdiente, kollegial und festlich aus. Zum Glück riefen die Hörner in dem zum Köthener Konzert von 1721 – so wie wir es heute kennen – hinzugefügten Tanzanhang gemäß einer Suite dann ihre Höchstform im Trio II ab, so dass das Statement „Wir sind wieder hier“ in gänzlich genüsslicher Pracht vernommen werden konnte.
Jenes Signal – nun ohne Hörner, deren Spieler zum Schlagwerk aus Trommel, Tambourin und Triangel griffen, dafür mit Flöten – steigerte sich mit der zusammengestellten Suite aus Leclairs Opernknüller Scylla et Glaucus. In ihr zeigten sich die Streicher vollmundiger und phrasierender, das Holz sehr geschmeidig, um mit der temperamentvollen Handschrift Cortis die italienische Lust am Affekt und das elegante französische Farbverständnis zu einem angestochenen Freudenfass für Stufe zwei zu kombinieren. Auf dritter lag Zelenkas Ouverturen-Suite in F, die neben der Stilverbindung aus Französischem und Dresdner Italienisch mit immer überraschend wie wiedererkennend überragend durchgeknalltem böhmisch gebrandetem Kolorit Vergangenheit und Qualität des EUBO spiegelte. Mit noch größerer Intensität und Effektfreude als ohnehin in Leclairs „Airs des démons“, „Forlane“ und „Tambourins“ zuvor meisterte das Ensemble dabei die reizenden Verzierungen, Harmonien und rasenden Tempi, letztere vor allem in der gellenden, konzentrierten „Folie“. Folge eines Vertrauens, das Corti mit völlige Sicherheit ausstrahlender Schlagtechnik und Einsatzaugenweide vom zweiten Cembalo aus vorgab.
Muteten die Musiker also schon wie ein lange erprobtes Orchester an, entbehrte es im letzten Aufgreifen der Wirren 2018 mit Rebels „Chaos“ seiner Les Élémen(t)s nicht einer gewissen Ironie, dass das EUBO darin nach dem Woher fragte und dem Wohin suchte. Natürlich fand es das im Tutti – unter anderem mit noch schrillenderem Jagdhornruf – in der tänzerischen Kraft und dem elementaren Sinn: der Liebe zur Barockmusik auf authentischen Instrumenten. Willkommen zurück!