Richard Strauss' Opern im Doppelpack innerhalb von fünf Tagen, und unterschiedlicher hätten die beiden Hälften nicht sein können: Das eher zurückgenommene Capriccio, „Konversationsstück für Musik”, wie der Komponist es nennt, mit letzten sanften Blicken in sein früheres Opernschaffen; und das orientalische Märchen der Frau ohne Schatten, in der Strauss 1919 überladene Gefühlsausbrüche und Klangeffekte aufeinander türmt. Inmitten der Arbeit am dritten Akt schreibt Strauss an seinen Librettisten Hugo von Hofmannsthal, dass dies seine letzte große romantische Oper sein solle, er weg wolle vom „Wagnerischen Musizierpanzer“, zu „realistischem Lustspiel mit wirklichen interessanten Menschen“. Darauf folgte bekanntlich die bürgerliche Komödie Intermezzo mit den Szenen seiner Ehe.
Während die letzte Münchner Inszenierung, 1992 durch Ennosuke Ichikawa vorgestellt, die Handlung in ein fernöstliches Fantasieland verlegte, die Akteure in schwere Gewänder, überbordenden Kopfschmuck kleidete und das Menschenreich als dunkle Unterwelt erschien, ist die 2013 von Krzysztof Warlikowski entwickelte Einrichtung an der Bayerischen Staatsoper mitten in der Gegenwart angesiedelt: überreich an Farben, magischen Licht- und Videoeffekten, räumlicher Tiefe, im Gespür für die im Stück durchaus angelegten komödiantischen Momente und Hofmannsthals tiefenpsychologische Einblicke. Der Färber Barak betreibt einen Waschmaschinensalon, schiebt Containerwagen mit Wäsche umher; der Kaiser ist in feinem Zwirn meist dienstlich unterwegs und schaut nur gelegentlich bei seiner Ehefrau vorbei.
Małgorzata Szczęśniaks Bühne füllt den ganzen Raum. Zwei riesige Torhälften grenzen einen „intimeren“ Vorderraum ab, der mit wenigen Sesseln und Liegen, Tischen und einem Aquarium möbliert ist; eine raumhohe Mahagoni-Vertäfelung suggeriert Noblesse (sogar beim Färberpaar). Wenn die Torhälften zur Seite schwenken, öffnet sich der Blick in die Tiefe eines hell gekachelten Raums, der gleißend weißliches Schwimmbad, OP-Saal, Schulinternat oder grün strahlendes Jagdrevier wird. Eine 3D-Bühne für raumhohe rasante Traumszenen und Kamerafahrten, über Friedhöfe fliegend, durch Geisterwald eilend, mit Fabelwesen durch Wassertiefen treibend, mit apokalyptischen Wasserwellen die Färberin vor Barak schützend (beeindruckender Lichteinsatz: Felice Ross; Videos und Animation: Denis Guéguin und Kamil Polak). So wird geschickt Fantasie angeregt gleich zu Anfang mit Filmsequenzen aus Alain Resnais' in den 60er Jahren in Münchner Schlössern gedrehtem Film L'année dernière à Marienbad, in morbidem Charme an Kurhotels wie aus Thomas Manns Zauberberg angespielt und dann zu einer Kaiserin geschwenkt, die auf der Entspannungsliege von Amme und Dienstboten umsorgt wird.
Michael Volle war ein ergreifender Barak, dem man die Erfahrung eines Meistersingers anmerkt. Spiel und Stimmeinsatz vollendet souverän, vom Schmelz herber Herrenschokolade, seinen Part brachte er bewundernswert textverständlich herüber. Nina Stemme als launische Färberin gab ein fantastisches Rollenportrait: Sprödigkeit und Unwillen dieser Figur kamen ebenso überzeugend zur Geltung wie ihre verborgenen Wünsche und ihre Anfälligkeit für Verlockungen. Sie war märchenhaft in zarten Piani, markant dann wieder in voller bewegender Schärfe ihres Soprans mit herausgeschleuderten Spitzentönen.