Die Schifffahrtssprache in ihrer Beschreibung der mit dem seegehenden Transport- und Gefechtsmittel bedingten Gefahren bemühend, sind der römische Co-Kanzler Marcus Antonius und Ägypterkönigin Cleopatra 30 v. Chr. zusammen untergegangen. Ein Jahr vor ihrem gemeinsamen, in Liebe vereinten Tod wurden schließlich ihre Flotten bei der berüchtigten Seeschlacht von Actium durch die Admiralität Octavians, Antonius' Mitherrscher, Widersacher und Anspruchsteller auf die kaiserliche Alleinherrschaft in Rom, geschlagen. Jene antike und tragisch-romantische Polit-Lovestory guckte sich Johann Adolf Hasse 1725 für seine erste Serenata mit schlichtem Titel des Paares zur affektbeladenen Dramatisierung derer letzten Bekundungen aus, als er 1722 von der Elbe nach Neapel sprichwörtlich Segel setzte, um in Italien sein Glück zum beruflichen Aufgang zu suchen.
Das sollte er dort doppelt Fahrt aufnehmend finden, wurde er mit dem galanten Barockopernstil der Weltstar, Opern- und Melodienking seiner Zeit und bildete mit 1730 in Venedig getroffener und dann mit ihm in den Hafen der Ehe eingegangener Faustina Bordoni, bereits eine der Topsängerin Europas, das Musiktraumpaar schlechthin. Jene Bordoni hatte natürlich auch mit Carlo Broschi (Farinelli), dem gefeierten Kastraten ihrer Karriereperiode, gesungen. Er war – gemäß des üblichen barocken Travestiewechsels auf der Bühne – gleich bei Hasses Start die Cleopatra in Neapel, während Altistin Vittoria Tesi in die sogenannte Hosenrolle des Geliebten Marc'Antonio schlüpfte. Einerseits in historischer Umsetzung, andererseits in sowieso freierer Abwandlung damaliger geschlechtsspezifischer Praktiken, Zwänge oder Hauscasts sollten für die jetzige Parnassus-Arts-Aufführung Hasses Werks bei Dortmunds Klangvokal-Festival Sopranist Bruno de Sá und Countertenor Yuriy Mynenko die Partien übernehmen.
Sie gehören heute zu den angesagten und bestaunten Kehlen ihrer Zunft. Mynenko nutzte dabei seine Statur, Farbigkeit und entwaffnende Vortragsart voll bebender, zugleich weltmännisch größenerhabender, verständlicher und identifikationserregender Anmut zur überzeugenden Darstellung eines aufrichtig begehrenden, Cleopatra anhimmelnden Marc’Antonio, dem Hasse für das Herzköcheln mit Ausnahme eines nachdrücklich brennenden Ausbruch-Zweizeilers und der beiden teilfinalisierenden Duette langsame Arien zugewiesen hat. Mit Ausgewogenheit, reizvollem Charme und geschmeidigem Schmelz fügte sich Mynenkos Marc’Antonio also darin letztlich doch dem Schicksal der Niederlage, dem er mit Cleopatra im ersten Duett mit Trotz und Mut, im zweiten nach unverbrüchlichem Zusammenstehen mit einem pathetischen Lebewohl begegnete, das wirkte, als schaute das Duo vor dem augenschließenden Dahinscheiden in das – wie im Hochzeitszimmer des Gonzagapalasts in Mantua verewigt – cherubingoldige und azurbläuliche Himmelsversprechen.

De Sá schenkte Cleopatra den theatralisch-temperamentvollen, stolzen, um Selbstbestimmung kämpfenden, ihrerseits waffengleichen Soprancharakter, der den Clou herausbrachte, dem irdischen Thron- und Lebensverlust, doch bleibenden Liebesgewinn die Spur ertragsrettender Süffisanz zu geben. Hasse verdeutlichte diesen schließlich ein wenig auf die Schippe nehmend in „A Dio trono“, wenn sich Cleopatra alles andere als „gefasst“ zu höchsten Tönen und Bravuraragen schrauben muss, mit denen er die – bis auf letzte – sämtlich schnellen Arien bestückt hat. In solchen, vor allem im Forte gestützt, wurde de Sá seinem Ruf vollends gerecht, wirkten sie allerdings bei aller brillanten Erreichung und sonstigem technischen Geschick dadurch einen Hauch grell, dass sich die Mittellage – wie manch diktionale Klarheit – weniger ausgeprägt offenbarte. Unglücklicherweise erwischte er beim Tongipfel – in spürbar zwischenzeitlich leichtem Anflug von Desillusion – im würdig-lichteren „Quel candido armellino“ einen unfeineren Lagenbruch, der bei den Begeisterungsstürmen des Publikums zu keinerlei Einschränkung des Freudenzolls führen sollte.
Derartige Bekundungen heimsten auch das {oh!} Orkiestra und seine Konzertmeisterin Martyna Pastuszka ein, die die Innigkeit emotionaler, dramagetränkter Erzählung mit einem grandiosen umsetzungspraktischen und ausdeutungseingrifflichen Detailkitzel versahen, der neue Maßstäbe setzte und die instrumentale Starqualität präsentierte. Das Ensemble gerierte sich damit – ganz natürlich scheinend – als wahres Bollwerk der Affekte und galant verspielter, deutlicher Effekte, das vorzüglich umsichtige Balance und saftige Dynamik walten ließ; und das Rezitative von phrasierend-artikulatorischer Vokaleinheitlichkeit, auch besonders durch Anna Firlus‘ (zusammen mit Mime Brinkmann am Cello) bekannt inspirierend-empathische Cembalogesten, gestaltete, die Kurs nahmen auf die Ufer referenzieller, neapolitanischer, traumpaariger Barockmusikalität.