Mit Verordnungen ist jeder von uns wohl noch nie so in Berührung gekommen, wie zu diesen Pandemie-Zeiten. Die allermeisten haben sie befolgt, einige auch nicht. Solche Rechtsnormen dienten schon vor über dreihundert Jahren als ein Steuerungsinstrument im Angesicht einer Katastrophe, als Papst Clemens XI. ein bereits von seinem Vorgänger verhängtes Verbot von Theater- und Opernaufführungen reaktivierte, nachdem Rom von mehreren Erdbeben heimgesucht worden war. Irdische Zeichen göttlichen Missfallens über den Sittenverfall lautete die Begründung, die wiederum Künstlern wie Musikbegeisterten wenig schmeckte. Unter ihnen Händel, Orchesterleiter Corelli und der adlige Mäzen Ruspoli, die diese krude Untersagung nicht hinnehmen wollten. Ihr ziviler Ungehorsam – ihre Umgehung der Regel oder bloß das Nutzen des Schlupflochs – fruchtete im österlichen Oratorium La Resurrezione von 1708, das schließlich nicht als Oper zu verstehen ist, gleichwohl es freilich mehr das ist als ein wirkliches Passionswerk. Die maskierte Accademia Bizantina spielte das Stück anlässlich des Oslo Internasjonale Kirkemusikkfestival als Aufzeichnung im heimischen Bagnacavallo.

Dass es sich bei Händels Auferstehung Jesu um die Nachfolge des im Jahr zuvor verfassten Il trionfo del tempo e del disinganno handelt, belegt gleich die „Sonata di Parte prima“, die Umarbeitung der Vorgänger-Ouvertüre, sowie die „Introduzione per la Parte seconda“, die einfach dem zweiten Allegro der Sinfonia entnommen ist. Erstere nahm das Ensemble eher in einem entspannteren Duktus, während letztere schnelleren Schrittes zum festlichen Aufgang leichter das Gemüt berührte. Insgesamt zeigte sich die Accademia Bizantina unter Ottavio Dantone – mit wunderbaren Soli von Gambe, Violine und Obligati der Holzbläser, in Teil II noch theatralischer und dynamischer – als spritzige wie einfühlsame Begleiterin der Arien und als profunde Übermittlerin der lautmalerischen Kontraste dunkler, knackiger Temperamente wie dem erhitzten Wüten oder Beben und den warmen geschmeidigen Emotionen der herzerschwerten Trauer oder dem ehrvollen Strahlen ob des Sieges des aufgehenden Lichts des Himmels über die Finsternis der samstäglichen Osternacht.

Jenes übergeordnete Schauspiel personifizieren der Angelo und Lucifero, die sich in einem Streitgespräch gegenüberstehen: der Engel ziemlich kämpferisch, muss er sich doch dem siegesgewissen Luzifer entgegenstellen. Monica Piccinini als Vertreterin des Gottesreichs erwies sich in den rezitativischen Dialogen auch als resolut, manchmal mit einem gewissen Charme, um ihren Counterpart mit der später eintretenden Wahrheit vertraut zu machen, wohingegen sie in den Arien mit ihrem zärtlicheren Stimmumfang samt etwas kühlem Timbre mehr auf das technische Meistern fokussiert war als auf ein Angebot an Ausdruck. Dies änderte sich nicht grundlegend, als ihr im zweiten Teil des Werks die Oberhand über den Verlauf nicht mehr zu nehmen war, obwohl ihre aufgehende, sanftmütige Verkündung der Erlösung am besten herüber kam. Riccardo Novaro lieferte einen kompromisslosen Auftritt, wie er dem hochnäsigen Rächer aus der Dunkelheit entspricht, der mit wirkungsvoller Prägnanz und weicher Unerweichlichkeit den beängstigend von sich eingenommenen, nachher zerknirschten Höllenherrscher gab, dem nichts anderes übrig bleibt, als kleinbeizugeben.

Das menschliche Mitfühlen mit dem Leiden Christi sollen Maddalena, Cleofe und San Giovanni abbilden. Arianna Vendittelli verpackte ihres zunächst in die anmutige Wehklage über eine vor Tränen schlaflose Nacht, ehe sie nach bestimmt und griffig geführten Gesprächen mit Cleofe und Giovannis Vorhersehung vom Auferstehen überzeugt glaubensgestärkt und ruhiger erfüllt eine erweckte wie sehr ansprechende Maddalena verkörperte. Versuchte Cleofe noch recht gefasst auf sie einzuwirken, stimmte Delphine Galou in ihrem unverwechselbaren Stil aus anfassender Phrasierung, reizendem Timbre und deklamatorischer Lebhaftigkeit selbst das Klagelied an, bis sie nach gegenseitig hinreißender Tröstung aufgebäumt und herzerweichend der Hoffnung und dem Leben zugewandt war. Damentröster Johannes (ganz religiös natürlich!) alias Anicio Zorzi Giustiniani hatte eine angenehme Tiefe, sein im Vergleich zu opernhaftes Vorstehen und die leider unschönen wie unsauberen Ausflüge in die Höhe mochten mir allerdings genauso wenig zu gefallen wie seine etwas lustlose Vermittlung in den eigentlich wunderbar und elegant gesetzten Arien. Dies taten am jeweiligen Ende umso mehr die feierlichen Chöre in der Freude über La Resurrezione.


Die Vorstellung wurde vom Stream des Oslo Internasjonale Kirkemusikkfestival gestreamt.

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