Oslos Neuinszenierung von Rossinis opernhafter Aschenputtel-Geschichte – La Cenerentola – war der erste Ausflug des norwegischen Regisseurs Stefan Herheim in die Welt Rossinis. Herheim gestaltet die Oper als riesiges Uhrwerk, die vielen Arien und Ensembles ticken mit mechanischer Präzision dahin. Das Ergebnis ist eine klar choreografierte und schillernde Musiktheaterproduktion, die sowohl nachdenklich stimmt als auch ausschweifend komisch ist.
Herheims Cenerentola wird auf einer leeren Bühne eröffnet, wo, während sich das Orchester einstimmt, eine Putzfrau ihrer Arbeit nachgeht . Die Ouvertüre beginnt und deus ex machina-artig kommt Gioacchino Rossini höchstpersönlich auf einer Wolke hereingeflogen – mit Bierbauch, Toupee, Engelsflügel und allem was dazugehört. Er beginnt das Orchester mit seinem Stab zu dirigieren und es scheint fast so, als wolle er die Oper zur Entstehung bringen. Obwohl er die meisten Darsteller schon versammelt hat – die Rolle des gemeinen Vaters Don Magnifico übernimmt er selbst – hat Rossini noch keine Cinderella. Glücklicherweise steht die Putzfrau, die gerade auf der Bühne ist, zur Verfügung. Herheim versucht nicht einmal, dieser überaus albernen Oper einen Sinn zu geben, stattdessen feiert er die Albernheit und Dadaistische Grundsprache mit tänzerischen und visuellen Witzen nahe dem Slapstick. In einem besonders inspirierten Moment im Finale des ersten Aktes, setzen sich die Hauptfiguren die Festtafel auf und besingen ihre Verwirrung, während der Chor versucht deren Köpfen zu essen.
Das Bühnenbild von Daniel Unger und Stefan Herheim legt die Oper in einem immer größer werdenden Kamin an, der letztendlich wie die Vorderbühne eines Theaters über die Bühne hinausragt. Der Kamin öffnet sich und zeigt das Innere eines Hauses, wo Videoprojektionen auf einer schwarzen Wand subtil die Handlung kommentieren. Diese Inszenierung handelt hauptsächlich von der Entstehung der Geschichten, ständig werden die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verwischt. Bei der großen Sturmszene im zweiten Akt, wo die Kutsche des Prinzen praktischerweise vor Don Magnificos Haus eine Panne hat, bedienen die beiden boshaften Stiefschwestern die Rauchmaschinen, und Alidoro spielt mit der Donnermaschine! Die Inszenierung bringt einen trotz etlicher Witze auch zum Nachdenken, aber Herheim übertreibt es keineswegs mit dem Intellektualisieren, sodass der Humor nie verloren ging.
Passend zur schnellen, wundersamen Theaterproduktion, war der Gesang, mit einem erstaunlich guten Ensemble, das Note für Note aufeinander abgestimmt war. Anna Goryachovas Cenerentola – oder Angelina wie sie in der Oper genannt wird – war nicht wie sonst üblich eine engelhafte Figur. Dieses Aschenputtel nimmt ihre Inspiration aus verschiedenen Versionen des Märchens, was zu einer ausgesprochen zynischeren Darstellung der Titelheldin führt. Goryachovas Stimme war verführerisch dunkel, mit stählernen hohen Noten und bemerkenswert klaren Koloraturen, dieser unheimlichen Interpretation angemessen. Als sie in ihrer letzten Arie über ihre Vergebung als Rache sang, schien es weniger eine großmütige Tat als eine ernst gemeinte Drohung zu sein.