So beliebt wie die Concerti grossi ab 1700, in einem Titel vermutlich erstmals von Alessandro Stradella 1670 zur Besetzung des triosonatenerprobten oder solistischen Concertinos in einem Concerto mit angereichertem und verdoppeltem Streicherapparat explizit gebraucht, so sehr reißen sich die Orchester momentan um Multitalent Maxim Emelyanychev. Als Chefdirigent beim Scottish Chamber Orchestra schon ordentlich zu tun, ist er besonders auch in Deutschland gefragt. Da bleibt für seine künstlerische Leitung des italienischen Spitzenensembles Il Pomo d’Oro zwangsläufig etwas weniger Zeit, die er sich aber mit ebenfalls vielbeschäftigtem Francesco Corti gut einteilt. Zur Advents- und Vorweihnachtsperiode ließ er es sich einrichten, die Gruppe in einer Auswahl berüchtigter Concerti grossi in da-chiesa-Form durch europäische Häuser zu führen. Station dabei den Musikern besonders vertrautes Antwerpen.

Als Ausgangswerk fungierte dort natürlich eines des Meisters Arcangelo Corelli, der anstelle Stradellas als Stammvater der Gattung schlechthin in die Geschichte eingegangen ist. Und zwar – absolut erwartbar – dessen saisonaler Schlager, das Concerto fatto per la Notte di Natale, das bei Il Pomo d‘Oro energiegeladen und spritzig daherkam, mit zwölf hohen/mittleren Streichern und stark besetztem, brodelndem Continuo aus zwei Celli, einer Gambe, zwei Kontrabässen, einer Erzlaute und zwei Cembali, an einem Emelyanychev selbst. Auch die finale Pastorale bestach durch Resolutheit, um bei aller Nobilità keinen Verdacht des Kitsches entstehen zu lassen, selbst wenn dieser – kleiner Zeitsprung – ausgerechnet bei der leicht konterkarierenden Zugabe um die Ecke schauen sollte, als die Gruppe ein Concerto-grosso-Arrangement Johann Pachelbels Canon in D mit jazzig zupfenden Ostinato-Kontrabässen in etwas arg gemächlicher Geschwindigkeit präsentierte.
Mit weiterer Ausnahme Charles Avisons Beispiel, seiner Nr. 3 aus dem Op.6, sowie Pietro Antonio Locatellis Nr. 6 aus Op.7 – man entschied sich also gegen dessen Weihnachts-Beispiel als Corelli-Verehrung –, da allerdings jeweils im willkommenen Gegenteil der mitreißenden Rasanz waren die Tempi ansonsten nicht zu extrem gewählt, um Raum zu schaffen für die akkuraten dimunitiven Verzierungen des Concertinos Zefira Valovas und Stefano Rossis, auch mancher Emelyanychevs am Cembalo, sowie die tänzerisch-atmende Phrasierungs- und Affektsteuerung.
Neben dynamischer Dimensionalität wurde letztere mittels kleinerer oder dezidierterer intraagogischer Verschiebungen erreicht, vor allem aber durch die typisch klangrundlichen, vollen, empfindsamen Wallungen des kuschelig warmen Tuttimantels gegenüber den zarten Concertini. Und durch artikulatorische Kontraste, so fortgesetzt – in kosmopolitischer Kenntnis – bei Georg Muffats Nr. 1 aus dem Armonico Tributo mit stilfranzösischeren Bögen in modulationsdichter Tonsprache und bäuerlich-robusteren menuettigen Sätzen. Oder bei angesprochenem Avison, dessen Concerto eigentlich doch ein Violinkonzert ist, mithilfe markanter Akkorde und generellem Feuer, um dessen Charakter als virtuos-melodiöses Effektwunder zu unterstreichen, für den Emelyanychev aus dem Schemelsattel ging.
In den langsamen Sätzen von gediegener, galanter, süffig-samtener, in den schnellen von espritreicher, wunderbar mitgehender Natur entpuppte sich beim Ensemble Georg Friedrich Händels Concerto grosso Nr. 2 aus Op.6, dem Alessandro Scarlattis Nr. 1 in f in solistischer Besetzung folgte. Jenes wies nun offensichtlich eine kammermusikalische Intimität und Charmanz auf, ein bedachtes Agieren, das die größeren intonatorischen Herausforderungen meisterte, nicht minder ausdrucksvoll anmutete, sondern von phrasierungsgenehmer Stringenz getragen war.
Locatellis Nr. 6 aus Op. 7, Il pianto d’Arianna, ebenfalls schon erwähnt, zog schließlich verlässlich in den Bann, indem impulsive Tuttistreicher (mit aufmerksam exponierter Bratschenpassage), pochende Bässe und Valovas passioniertes wie feingliedriges, figuratives Solo die schmerzlichen Lamenti und erhitzt aufgeladenen Furiosi bestritten. Letzten Programmpunkt bildete Giuseppe Sammartinis Nr. 1 aus Op. 2, die ersten beiden Sätze eine klassische französische Ouvertüre, das in griffiger Festlichkeit sowie auf melancholisch-süßlichem Klangbett die beliebte Differenziertheit des Genres nochmals genauso heraushob wie die des gefeierten Il Pomo d’Oro und seines Leiters Maxim Emelyanychev.

