Rekonstruierten Sébastien Daucé und sein Ensemble Correspondances in der Kölner Philharmonie bereits die Krönung Ludwig XIV., hielt mit ihnen nun ihre Version einer Pariser Weihnachtsfeier des ausgehenden Hochbarocks Einzug in die Musikhalle zwischen mit winterlichen Verkaufsständen gepflasterter Domplatte, Hauptbahnhof und Rhein. Eine, die nicht erst, aber auch seit Marc-Antoine Charpentiers Messe de Minuit pour Noël 1694 mit wiederverwerteten Noé-Chansons in der Jesuitenkirche Saint Louis mehr oder minder zum Ritual gehört. Sie zählte zum selbstverständlichen Kanon der Geistlichen und Auftaktbestandteil der in unterschiedlichen Settings stattfindenden Festlichkeiten um die anschließende Réveillon der Gläubigen, wie heute mit der verspeisten Bûche de Noël; oder um die Installation des Weihnachtsbaums, den Ludwigs Schwägerin Liselotte von der Pfalz 1708 als im ganzen Land aus dem Elsass verbreiteten neuen Ritus erwähnt.

Dabei war ihr selbst – dieser weihnachtshistorische Einschub sei noch gestattet – die Schmückung von Tannengrün seit 1660 aus Hannover geläufig. Und jene Dekoration generell auch im Elsass, heute mit Straßburger Märkten ab der Adventszeit noch legendär, gar nicht so neu, diente sie in schon jahrhundertealter religiöser Erinnerung an das Paradies. Direkt auf der anderen Rheinseite, von Köln flussauf- und himmelsrichtungsabwärts nach Freiburg und Basel, lassen sich Überlieferungen für jene Tradition aus dem 15. Jahrhundert finden; erstmals schriftlich festgehalten ist sie allerdings 1570 an der Weser in Bremen.
An paradiesischen und explizit programmiert weihnachtsnächtlichen Vorstellungen ausgerichtet waren auch die in muckeliger französischer Barockstimmung und natürlich jener gebundenen, fluiden, elastischen, geschmeidigen, trotz nicht zu langsamer Tempi wie mancher Daucés Kollegen mitunter sakralstreng durch weniger starke Kontraste und größere Dynamiken auch schläfrigen Phrasierung gehaltenen Correspondances-Klänge auf der Bühne, links und rechts mit je zwei kleineren Weihnachtsbäumen ausstaffiert. Nach zeremonieller Eröffnung mit der Antiphon Sub tuum praesidium der reinen, weichen Frauenstimmen vom vorderen rechten Treppenaufgang konnten sie zunächst im beschaulichen „Quam gloriosa dicta sunt de te” aus dem Canticum in honorem beatae Virginis Mariae inter homines et angelos „Annuntiate superi, narrate coeli“ vernommen werden. Dann mit dem selig-andächtigen In navitatem Domini canticum „Usquequo avertis faciem tuam Domine“, in dem unter anderem Tenor Davy Cornillot, Bariton Étienne Bazola und Bass-Bariton Renaud Brès ganz chorartikulationsgetreu dezent-schlichte Soli von sich gaben. Am phrasierungslebendigsten darin – und mit ihm das Ensemble, zugleich soloinstrumental in der „Nuit - Réveil des bergers“ und „Marche des bergers“ – Vojtěch Semerád, der mit elegantem Haute-Contre die Personalunionsrolle des Hirtenvorstehers und Engels ausfüllte.
Für speziell pastoral-nächtliches Flair sorgte auch Daucés Auswahl an Tenor- und Bassblockflöten, die mit Streichern und Truhenorgel die „Nuit“ des Dialogus inter angelos et pastores Judeae in navitatem Domini verdunkelten und wärmten. Ihr folgte, von jetzt an auch mit Fagott, das erwartungsgespannte wie angenehme und wunderlich-berührende O miraculum des in Straßburg und mit Charpentier in Paris wirkenden Jesuitenpriesters Sébastien de Brossard. Nach der Pause, aus der der Dirigent – ebenfalls ritualhaft – nun ohne Sakko erschien, ordnete Daucé wieder den Damen die drei Stimmen des mit Orgel, Bassgambe und -Laute, im festlicheren Tutti samt Violone und Cembalo besetzten In navitatem Domini nostri Jesu Christi canticum „Frigidae noctis umbra“ zu, bei dem Caroline Weynants als Engel hier zwar kleinere Intonationsschwierigkeiten hatte, mit ihr die als Hirten und Erzähler fungierenden Soprane Maud Haering, Anne-Laure Hulin und Eva Plouvier sowie Mezzo Blandine de Sansal die Weihnachtsgeschichte aber mit lieblichem Gesang vortrugen.
Weynants war auch die erste Strophe des nach Charpentier von Jean-Baptiste Christophe Ballard edierten, herzlichen und stimmungsvollen Liedes „Or nous dites Marie“ aus den Grandes Antienne O de l’Avent vorbehalten, das gemeinsam mit der Antiphon à la Vierge „Alma redemptoris“ weitere beruhigende, kongregationale Einschübe zwischen der zudem mit französischer Oboe bestückten Messe de Minuit pour Noël bildete. Im „Sanctus“ mit merklichst ausformulierterer Freude, beschloss diese besinnlich und edel Ensemble Correspondances‘ Weihnachtsfeier.