Es gibt so Tage, da geht man zur Arbeit, aber die Motivation kommt nicht ganz mit – just so einen Tag schien das Orchester der Wiener Staatsoper an diesem zweiten Abend der Vorstellungsserie von Verdis Il trovatore erwischt zu haben; denn was unter der Leitung von Pier Giorgio Morandi im ersten und zweiten Akt aus dem Graben zu hören war, ließ sich eher in der Kategorie Dienst nach Vorschrift verbuchen statt als Verdi-Feuerwerk. Ebenso auf Sparflamme agierte der Chor zu Beginn des zweiten Akts – von der feurigen Lebendigkeit der im Libretto besungenen Zigeunerwelt merkte man wenig.

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Rachel Willis- Sørensen (Leonora) und Vittorio Grigolo (Manrico)
© Wiener Staatsoper | Michael Pöhn

Nach der Pause drehte dann nicht nur der Chor deutlich mehr auf, sondern auch das Orchester erreichte Betriebstemperatur und bot zwar keine Sternstunde, aber immerhin farbenreich-differenzierten Klang. Auffallend blieben jedoch die zahlreichen Abstimmungsprobleme in den Ensembleszenen, in denen Graben und Bühne zwar wacker um Einigkeit kämpften, aber sie nicht immer fanden; wobei daran zumindest teilweise die Grippesaison und die daraus resultierende Umbesetzung wohl keinen geringen Anteil hatte.

Denn Rachel Willis-Sørensen übernahm kurzfristig ohne Proben die Partie der Leonora und rettete damit die Vorstellung, weshalb man ihr einige Ungenauigkeiten wahrlich nicht vorwerfen kann. Ihre Stimme hatte ihre stärksten Momente in der oberen Mittellage, denn hier strömte der leicht herb timbrierte Sopran frei und elegant und so wurde auch das „D'amor sull'ali rosee” zu einem besonders schönen Moment des Abends. Dass die Höhen manchmal etwas ausfransten und in der Tiefe das Volumen verloren ging, machte Willis-Sørensen mit ihrer leidenschaftlichen Gestaltung wett, denn sie versah die Stimme mit vielen emotionalen Schattierungen, um die Emotionen der Leonora über die Rampe zu transportieren.

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Clémentine Margaine (Azucena)
© Wiener Staatsoper | Michael Pöhn

An ihrer Seite stand in Form von Vittorio Grigolo der völlige Gegenentwurf zur lediglich auf Sparflamme köchelnden Motivation im Orchestergraben auf der Bühne. Er schmachtete und litt sich als Manrico mit Feuereifer durch den Abend, darstellerisch zuweilen fast schon hart an der Grenze zur Übertreibung (etwa bei Leonoras Tod), aber immer mit herrlich schmelzender Italianità in der Stimme, die er nicht nur auf Effekt auslegte, sondern auch technisch höchst sauber einsetzte. Da saß jeder Schluchzer punktgenau, die Höhen funkelten kraftvoll und die Farben in der vokalen Gestaltung changierten elegant zwischen verliebtem Troubadour und kämpferischem Soldaten.

Clémentine Margaine brachte eine exzellente Azucena auf die Bühne und verlieh der Rolle dabei darstellerische Tiefe, indem sie nicht in Übertreibung oder Klischees verfiel, sondern die Figur als gleichermaßen traumatisierte und pragmatische Frau interpretierte. Ihren Mezzosopran führte sie bruchlos durch alle Register und gestaltete die Partie mit einem Gespür für packendes Storytelling: sowohl die mit dunklem Nachdruck gesungenen Ausbrüche als auch die warm schimmernden melancholisch-liebevollen Momente verliehen dem Charakter mannigfaltige Facetten.

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Artur Rucinski (Il Conte di Luna)
© Wiener Staatsoper | Michael Pöhn

Den Conte di Luna gab Artur Rucinski mit viel darstellerischer Präsenz und technisch sauber geführtem Bariton. Leider ist das Timbre seiner Stimmer aber eher auf der trockenen Seite angesiedelt und lässt geschmeidige Üppigkeit vermissen, wodurch ich mich fallweise an Sachertorte ohne Schlagobers erinnert fühlte – keineswegs schlecht, aber eben nicht der volle Genuss. Ilja Kazakov stattete den Ferrando hingegen mit sonorem Timbre und reichlich Volumen in der Stimme aus, bei aller Klangschönheit fehlt es dem Bass aber noch am nötigen Feinschliff, was die Arbeit mit dem Text und dessen Bedeutung angeht. Denn obwohl er die Erzählung der Vorgeschichte gesanglich einwandfrei gestaltete, mangelte es an dem packenden Element und der schicksalshaften Vorahnung der Szene.

Clémentine Margaine (Azucena) und Vittorio Grigolo (Manrico) © Wiener Staatsoper | Michael Pöhn
Clémentine Margaine (Azucena) und Vittorio Grigolo (Manrico)
© Wiener Staatsoper | Michael Pöhn

Auch acht Jahre nach ihrer Premiere ist die Inszenierung von Daniele Abbado leider nicht durch Zauberhand spannender geworden: In einem Hinterhof zur Zeit des Spanischen Bürgerkriegs wird in unkleidsamen Kostümen nach wie vor hauptsächlich herumgestanden und manchmal sind ein paar religiöse Symbole zu sehen, das „Warum” erschließt sich jedoch zu keiner Zeit. Einige Logiklücken ergeben sich dabei zwangsläufig durch das Einheitsbühnenbild – Manrico und Azucena sind etwa in dem gleichen Raum „gefangen”, den sie vorher noch frei betreten konnten – und andere werden durch die Regie aktiv herbeigeführt, etwa wenn Manrico davon singt, dass Leonora ihn nicht aufhalten könne, diese aber zu diesem Zeitpunkt schon längst die Szene verlassen hat. Einzig die Pyrotechnik ist ganz nett, wobei es wahrlich kein Renommee für eine Produktion ist, wenn Feuer an der Rampe ihr spannendstes Element ist.

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