Während seiner ersten Schottlandreise im Jahre 1829 war Felix Mendelssohn Bartholdy derart von der verfallenen Kapelle beeindruckt, in der Maria Stuart im 16. Jahrhundert zur Königin von Schottland gekrönt worden war, dass er eine Tuschezeichnung von der von Efeu berankten morbiden Ruine anfertigte. Doch es sollte nicht bei einer Skizze bleiben – „Ich glaube, ich habe heut da den Anfang meiner Schottischen Symphonie gefunden.“ Und was für eine Symphonie sie werden sollte, diese Symphonie Nr. 3 a-Moll, Op.56, genannt die „Schottische“, welche erst über zehn Jahre später, im Jahre 1842 in Leipzig uraufgeführt wurde. Nun stand dieses Meisterwerk in einem Konzert der Münchner Symphoniker unter Steven Sloane in der Isarphilharmonie auf dem Programm.

Das Konzert begann mit Mendelssohn Bartholdys Konzertouvertüre Die Hebriden, ein vielgespieltes lautmalerisches Werk, in welchem Mendelssohn inspiriert vom Besuch einer unbewohnten Hebriden-Insel vor der schottischen Küste die raue See und die beeindruckenden Naturgewalten vertont hat. Das Orchester begann zögerlich und unsicher, fand aber schnell das richtige Metrum und lieferte eine wohlklingende Interpretation der Hebriden-Ouvertüre.
Es folgte das eigentliche Hauptwerk des Abends, das Konzert für Violine und Orchester D-Dur, Op.77 von Johannes Brahms, interpretiert von der jungen italienischen Geigerin Clarissa Bevilacqua. Der amerikanisch-israelische Dirigent Steven Sloane hatte das Stück zwar solide einstudiert, aber nicht adäquat die Lautstärke des Orchesters mit jener der Sologeige austariert. Die glasklare vielgerühmte Akustik der Isarphilharmonie verzieh es bereits bei den ersten Passagen der Solistin nicht, dass besonders die Bläser allzu massiv die Terzenläufe und die anschließende Vorstellung des lyrischen Hauptthemas übertünchten.
Gerade das Brahms-Violinkonzert muss unbedingt daraufhin kalibriert werden, da es streckenweise eher wie eine Symphonie mit Violin-Soli oder gar wie Kammermusik gesetzt ist denn als auftrumpfendes Virtuosenstück. Dies ist der Reiz, aber auch die Gefahr des Konzerts nachgerade für den Dirigenten. Sloane absolvierte sein Dirigat eher, als dass der Funke übersprang.
Funkelnd und strahlend jedoch gelangen Bevilacqua viele Passagen des so schwer zu greifenden Konzerts, welches zum absoluten Standardrepertoire gehört. Während im zweiten Satz zwar Strahlkraft, aber kein vordergründiges musikalisches Funkeln gefragt ist, hatte Bevilacqua aber auch insgesamt nicht ihren allerbesten Abend. Vor allem auf der e-Saite waren einige Töne in den hohen Lagen minimal zu tief, gelangen die Oktaven und Läufe nicht lupenrein. Vielleicht lag es daran, dass sie kämpfen musste gegen das oftmals unzureichend gebändigte Orchester, das neben der Lautstärke auch hie und da rhythmisch nicht ganz auf die Solistin eingestellt war. Und so ging Bevilacqua am Ende die Kraft aus.
Wie sie selbst in einem Interview vor ihrer Premiere in der Isarphilharmonie anmerkte: „Dieses Konzert ist der Mount Everest der Violinkonzerte.“ Man merkte der jungen Geigerin die Anstrengung an. Aber auch ihren enormen Gestaltungswillen spürte man, ihren Drang, eine „neue, frische Interpretation“ zu liefern, wie sie vor dem Konzert sagte. Sie wollte ein bisschen zu viel und sie musste ein bisschen zu viel, so dass der Glanz der Passagen besonders im zweiten Satz allzu schnell verging. Und dennoch: Hier funkelt ein neuer Stern am Geigenhimmel, und wir können uns auf viele weitere gemeinsame musikalische Momente mit Clarissa Bevilacqua freuen.
Nach der Pause dann die ach so romantische Schottische Symphonie. Sloane dirigierte, das Orchester spielte. Es fehlte der schimmernde Glanz des aufklärerischen Mendelssohns. Begeisterung mochte da nicht so recht aufkommen, trotz der meist technisch sauberen Darbietung der Orchestermusiker und der hervorragenden Leistungen einzelner Solisten, namentlich des soeben erst engagierten Moritz Mihm an der Klarinette. Der zweite Satz gelang besonders spritzig und mitreißend, der dritte Satz dann wieder zu anämisch. Warum so wenig Vibrato? Transparenz ist wichtig, aber frei nach Oskar Maria Graf wollte man den Musikern zurufen: „Mehr Romantik, die Herrschaften!“ Im vierten Satz dann, spätestens im Allegro maestoso assai, hatten sich die Musiker endlich freigespielt. Und so versöhnten sie die Zuhörer mit einem wahrhaft majestätisch glänzenden Finale.
Das Konzert wurde von MünchenMusik veranstaltet.

