Ein Komponistenname, mit dem man Paavo Järvi ganz bestimmt nicht in Verbindung bringt, ist Wolfgang Amadeus Mozart. Der Music Director des Tonhalle-Orchesters Zürich glänzt vorzugsweise in symphonischen Werken Mahlers, Bruckners, Tschaikowskys, Mendelssohns oder Schostakowitschs. Und nun dieses Konzert mit den drei letzten Symphonien des Klassikers. Man erinnert sich dabei vielleicht an einen Auftritt von Herbert Blomstedt im Juni 2024, der die Linzer- und die Jupiter-Symphonie dirigierte. Wie Järvi ist auch Blomstedt kein ausgesprochener Mozart-Dirigent. Und doch war das Publikum damals außer Rand und Band.

Paavo Järvi © Kaupo Kikkas
Paavo Järvi
© Kaupo Kikkas

Vielleicht ist die Motivation beider Dirigenten für ein reines Mozart-Programm dieselbe: Sie wollen das Feld der Klassik im engeren Sinn nicht ausschließlich den Spezialisten für Alte Musik überlassen. Und sie wollen beweisen, dass auch die großen philharmonischen Klangkörper eine gültige Mozart-Interpretation leisten können. Das Anliegen ist richtig und das Resultat in beiden Fällen vertretbar.

Sowohl beim Instrumentarium wie im interpretatorischen Ansatz fallen einige Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Konzerten auf. Sowohl bei Järvi als auch damals bei Blomstedt spielt(e) das Tonhalle-Orchester mit modernen Streichinstrumenten in heutiger Stimmung und mit historischen Instrumenten bei Holz, Blech und Pauken. Und hier wie dort fließen etliche Elemente der historischen Aufführungspraxis in die künstlerische Deutung. Es scheint dies also – über die beiden Dirigentenpersönlichkeiten hinaus – ein Ansatz zu sein, wie man mit „normalen“ Symphonieorchester, die vorwiegend in der Symphonik des 19. Jahrhunderts beheimatet sind, Mozart und die Klassiker für das Standard-Repertoire zurückgewinnen kann.

Der ästhetische Reiz einer Wiedergabe aller drei Symphonien des Mozart‘schen Triptychons in einem einzigen Konzert liegt darin, dass die Unterschiede klar zutage treten. Sie liegen äußerlich in der verschiedenartigen Bläser-Besetzung und in den Tonarten, sowie, daraus resultierend, im je eigenen Charakter. Järvi hat diese Unterschiede hervorragend auf den Punkt gebracht. Die Symphonie Es-Dur, KV543 verlangt bei den Bläsern eine Flöte, zwei Klarinetten, zwei Fagotte, zwei Hörner und zwei Trompeten. Das dreiklangbestimmte Hauptthema, die dunkle Farbe der Klarinetten und der Naturklang der Hörner, verbunden mit der Tonart Es-Dur, verbinden sich zum Typus der heiteren, volksmusikorientierten Serenade. Dass die beiden Hornisten auf ventillosen Instrumenten spielen, fällt unter anderem bei einigen Kieksern auf. Die beiden Ecksätze klingen unter der Stabführung des Dirigenten etwas angespannt; ein bisschen mehr serenadenhafte Lockerheit würde ihnen guttun.

In der Symphonie g-Moll, KV550 verwendet Mozart beim Holz zusätzlich zwei Oboen, verzichtet andererseits auf Trompeten und Pauken. Durch ihren Moll-Charakter und die Dominanz der Streicher gerät sie zu einer ernsten, trauerumflorten und anspruchsvollen Komposition. Dies ist im Konzert gerade im letzten Satz zu hören, der nicht als Kehraus, sondern als durchstrukturierte musikalische Auseinandersetzung in Sonatensatzform gestaltet ist. 

Die Symphonie C-Dur, KV551, die Jupiter-Symphonie, gleicht in der Besetzung der Es-Dur-Symphonie, wechselt aber die Klarinetten gegen zwei Oboen aus. Ihr Charakter ergibt sich sowohl durch das große Bläseraufgebot als auch durch die Triumph-Tonart C-Dur. Interpretatorisch geht Järvi von extremen Lautstärke-Gegensätzen aus, wie sie bereits das Hauptthema des ersten Satzes prägen. Als entrückte Traummusik – die Streicher spielen mit Dämpfern – erscheint das Andante cantabile. Im berühmten Schlusssatz mit den fugenartigen Abschnitten kennt Järvi dann kein Halten mehr: Aberwitziges Tempo, virtuose Höchstleistung des Orchesters und maximaler Lautstärke-Pegel bei Trompeten und Pauken sind die Elemente. Jupiter lässt es krachen!

Insgesamt also eine virtuose, energiegeladene, manchmal auch angespannte Interpretation dieser drei Mozart-Symphonien. Eine Prise mehr Gelassenheit im Sinne Blomstedts wäre durchaus zu wünschen. Und ob diese Werke einen taktstockschwingenden Dirigenten benötigen, oder ob das Orchester unter der Leitung von Konzertmeisterin Julia Becker nicht ähnliche Resultate hervorgebracht hätte, wäre auch eine Überlegung wert.

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