In der Konzerteinführung mit Joana Mallwitz berichtet der Geiger Josef Špaček von seinen persönlichen Erfahrungen mit Schostakowitschs Erstem Violinkonzert und von seinem großen Vorbild David Oistrach, der dieses Werk zur Uraufführung gebracht hatte. Špačeks Darbietung mit dem Konzerthausorchester Berlin war aber weit mehr als eine Verbeugung vor dem großen Geiger, sondern eine eigenständige Aneignung des Soloparts.

In der Aufführung war dem Orchester die Hauptrolle zugewiesen, der Solist hatte sich dem nicht allein zu fügen, sondern bisweilen sogar vorführen zu lassen. Zu Beginn der Nachtmusik betäubte Mallwitz die Ruhe im Orchester regelrecht, und als Špaček mit seinem Gesang anhob, klang dieser nicht spröde und gedämpft, weil er sich noch warm spielen musste, sondern weil er ihn abschattierte, um ihm einen einsamen Ton zu geben. Erst allmählich ließ er sein Instrument im flexiblen Vibrato aufblühen.
Ganz anders im Scherzo! Špaček spielte nun aggressiv-kratzig, akzentuierte die Doppelgriffe scharf und ließ Glissandi aufheulen. Im Orchester herrschte obsessive Geschäftigkeit. Zu Beginn stotterten die Holzbläser das Thema so, als ob sie die Sprechweise von Stalins Kulturkommandeur Andrej Schdanow nachahmen wollten. Den Freilach im Zentrum des Satzes versuchte Špaček zu tanzen, ohne dass es wirklich ausgelassen wurde.
Einen ganz eigenen Aspekt legte die Aufführung auf die Passacaglia; denn sie klang nicht allein unerbittlich, sondern mit Pomp aufgeladen wie eine Parade. Špaček hatte ihr nicht nur eine bitter-süß vorgetragene Kantilene entgegenzusetzen, sondern auf dem Satzhöhepunkt das schwere Thema in Oktavgriffen so zu übernehmen, als müsse er sich ihm unterwerfen.
Seinen großen Auftritt hatte Špaček in der Cadenza, die er so intensiv wie frei von jeder Attitüde als großen Monolog vortrug. Das Freilach-Thema ließ er gequält aufblitzen und doch gelang es ihm, den Weg zu einem vermeintlich guten Schluss zu bahnen. Das Orchester antwortet auf diese kunstvolle Raserei des Solisten mit zwar entfesselter, aber letztlich anbefohlener Festlichkeit. Schön herausgearbeitet wurde die triviale Grundhaltung des Satzes vor allem als das Passacaglia-Thema zwar im Kanon geführt wurde, aber in Klarinetten und Xylophon spröde und fast komisch wirkte.
Špaček bedankte sich mit dem ersten Satz aus Eugène Ysaÿes Sonate für Violine Nr. 5 als Zugabe.
Mallwitz dirigierte Brahms' Erste Symphonie fordernd, wodurch zu Beginn der Introduktion ein energischer Ton entstand, der aber nicht zu schwer beladen wurde, sondern so transparent klang, dass die chromatischen Motive gut hörbar auseinander drifteten. So war es später möglich, das „neue“ Thema in der Durchführung in seiner Diatonik davon abzusetzen und auf den Schluss des Werkes vorausweisen zu lassen.
Die komplizierte Schlichtheit, die vor allem den langsamen Satz charakterisiert, in dem sich mehrere Orchestermitglieder, vor allem die Oboistin Szilvia Pápai und der Klarinettist Ralf Forster solistisch glänzend hervortraten, wurde gut getroffen. Sie nahm diesem Andante sostenuto alles Süßlich-Schwere, darin unterstützt von Konzertmeisterin Suyoen Kim, die ihr Violinsolo unsentimental vorzutragen wusste.
Im Finale befolgte sie die vielen wechselnden Tempoanweisungen nicht sklavisch, sondern elastisch. Das hymnische Hauptthema erklang nicht breit ausgeknetet, sondern als regelrechte Befreiung. Zuvor hatte sie das Alphornthema im erhabenen Ton spielen lassen und den Choral in dessen Zentrum sich beinahe verstecken lassen. Es gelang ihr so, dass er vergessen war, als er am Ende auftrumpfen durfte: vorbereitet und doch wie ein Deus ex machina, um das Werk krönend zu beenden.

