Mit einem unterhaltsamen Abend läutete das Allegri Quartett für Leamington Music die neue Kammermusik-Spielzeit ein. Im Eröffnungswerk verfolgte das Quartett die Entstehung des Genres Streichquartett mit Haydns Quartett in D op. 1 Nr. 3, das viel eher ein fünfsätziges Divertimento als ein konventionelles Quartett ist. Seine Klanglandschaft ist eingangs noch barock, und wo es den beiden Violinen im Stile einer Antiphonie zu kommunizieren erlaubt, beschränkt es das Cello zumeist auf eine reine Begleitfunktion mit einzelnen Basstönen.
Der erste Satz weist zahlreiche Parallelen zur sonata da chiesa auf, und die Ähnlichkeit zur Antiphonie wurde zusätzlich dadurch hervorgehoben, dass das Quartett in ungewöhnlicher Sitzordnung spielte: Ofer Falk saß auf seinem angestammten Platz, und Rafael Todes an der zweiten Violine ganz rechts. Diese Platzierung und der sehr sparsame Gebrauch von Vibrato erschuf zum einen einen deutlichen Kontrast zwischen Falks eher scharfem Ton zu Todes’ intensiv warmem, vollmundigen Klang. Zum anderen entstand dadurch eine enorme Transparenz, die den charakteristischen Klang eines jeden Musikers erkennen ließ.
Die umwerfende Dynamik der vier trug ihren Teil dazu bei. Aus einer kräftigen, energischen Passage zogen sie sich so plötzlich in ein pianissimo zurück, dass man meinen könnte, dies wäre nur durch einen abrupten Schnitt der Lautstärke zu bewältigen, doch die decrescendi der Allegri war von organischer, atmender Qualität. Kaum war eines verklungen, so freute man sich schon auf das nächste, nur, um diesen meisterlichen Effekt noch einmal zu bewundern. Im Laufe des majestätisch schreitenden vierten Satzes und dem resoluten Finale, das durch die schweren Akzente ein wenig von seiner Leichtfüßigkeit einbüßte, spiegelt die Musik Haydns kompositorische Experimente wider und klingt schließlich mehr wie der Haydn, den wir heute kennen.
Als nächstes stand ein eher selten gehörtes Werk des Jubiläums-Komponisten Richard Strauss auf dem Programm. Seinen Namen verbindet man automatisch mit großen Orchestern und üppigen Klangfarben in Tongedichten, Symphonien und Opern. Seine frühen Kompositionen allerdings sind zumeist Kammermusik und eher konservativ, doch sein Streichquartett in A-Dur op.2 macht trotzdem Spaß. Was die Kompositionsweise betrifft, so geht Strauss in diesem Quartett auf Nummer sicher, indem er seine Themen nach dem Vorbild von etablierten Komponisten wie Mendelssohn, Schubert oder Mozart gestaltet.
Sein lebhafter erster Satz war gut betont und agil, doch die Tonwiederholungen verschwammen schnell und waren bei weitem nicht so deutlich, wie sie hätten sein können. Gelegentliches Quietschen entfuhr Falks Violine, und in den großen thematischen Aufgängen schien er akustisch und optisch angestrengt, rappelte sich aber zu einem feurigen Schluss auf. Den rasanten Walzer, mit dem das Scherzo beginnt, machte das Quartett dadurch noch flotter, dass es die Auftakte mit Springbogen spielte, doch besonders in der Exposition des Themas hätte ich mir diese Tonwiederholungen etwas definierter, selbstbewusster gewünscht – genau so, wie sie es später in regular gestrichener Form auch waren. Die pizzicati allerdings waren immer exakt bei jedem Einsatz, und die folgenden Borduntöne des Cellos waren schön erdig. Wo man sich zuvor an die Melodie von „Zum Geburtstag viel Glück“ erinnert gefühlt hatte, scheint das wundervolle Thema des dritten Satzes den zweiten Walzer in Schostakowitschs Jazz Suite Nr. 2 vorwegzunehmen, der erst etwa 40 Jahre später komponiert wurde. Diese markante Melodie führte schließlich in den Finalsatz, der das fröhliche, verspielte und sehr Mozartische Thema mit starken Synkopen kontrastiert, die dem Ganzen einen Groove des 20. Jahrhunderts verleihen.
Beim letzten Stück des Abends, Beethovens Streichquartett in Es-Dur op. 127, schienen sich die Musiker endlich auch in der Musik wohlzufühlen. Ob in der majestätischen Einleitung zum ersten Satz in wahrlich Beethovenschem Temperament, oder dem mystischen sotto voce des zweiten wurden dem Publikum nun wunderschöne und kristallklare hohe Töne der ersten Violine zuteil, alle Schärfe wich einem allgemein weichen, vollen, romantischen Klang. Das Quartett verlor auch einiges seiner anfänglichen Steifheit und Zurückhaltung, Musik und Bewegungen flossen frei und gipfelten im vierten Satz, dessen Erregung mit warmen, lyrischen Passagen ausgegliechen wird, die auch durch einen Augenblick von Intonationsdifferenzen nicht an Schönheit verloren. Es stand den Allegri ins Gesicht geschrieben, dass sie dieses Stück wirklich genossen. Sie waren dann auch bald zu einer Zugabe „überredet”, zu der sie sich für ein Werk eines Zeigenossen Richard Strauss’, Ludwig Thuille, entschieden. Das Menuett seines Quartett in G-Dur bildete den wunderbar warmen Abschluss eines schönen Abends, den ich mit Strauss’ sprudelndem Walzer im Ohr verließ.