Zwei Jahre nach der Premiere dieser Produktion kehrt Giuseppe Verdis Macbeth ins Große Festspielhaus nach Salzburg zurück – in den Hauptrollen in gleicher Besetzung, aber leider auch mit dem gleichen, zentralen Schwachpunkt: Denn die Inszenierung von Krzysztof Warlikowski wurde auch dieses Mal nicht nachvollziehbarer. Stets passieren mindestens zwei bis drei Dinge gleichzeitig, wodurch der Regisseur zwar die gesamte, riesige Dimension der Bühne sinnvoll nutzt, aber die Figuren aus dem Fokus geraten.
So geht die kammerspielartige Spannung des Stücks zwischen Videoprojektionen, deren Bezug zum Geschehen auf der Bühne mal mehr, mal weniger verständlich ist, vermeintlich bedeutungsvoll herumstehenden Statisten und parallel erzählten Handlungssträngen völlig unter. Eigentlich ist es fast schon beeindruckend, wie eine Inszenierung gleichzeitig so karg (bezogen auf das Bühnenbild) und überfrachtet (in Bezug auf die untergebrachten Ideen) sein kann.
Insgesamt wirkt die Herangehensweise, abgesehen von den packenden, albtraumhaften Untertönen, erstaunlich uninspiriert: Die Idee der ungewollten Kinderlosigkeit als Triebfeder der Machtbestrebungen und Mordlust der Macbeths hat Martin Kušej schon vor Jahren eindrucksvoller und stringenter umgesetzt. Störend ist an diesem Abend außerdem, dass Warlikowski im letzten Akt konsequent gegen das Libretto inszeniert.
Lady Macbeth stirbt nach ihrer Schlafwandelszene trotz aufgeschlitzter Pulsadern nicht und wenn Macduff davon singt, den Diktator getötet zu haben, sind beide Macbeths noch quicklebendig, denn der Regisseur muss schließlich noch seine Idee eines im Fernsehen übertragenen Eilprozess à la Ceaușescu und die Lynchjustiz der Gesellschaft in der Inszenierung unterbringen. Ein völlig anderes Kapitel ist hingegen die Personenregie von Warlikowski, denn die ist tiefenpsychologisch durchdacht, fein ausgearbeitet und bis in die kleinste Rolle detailreich, sodass die Strukturen von Macht, Angst und Show innerhalb eines brutalen Regimes beklemmend verdeutlicht werden. Dabei hilft es natürlich ungemein, ein Sängerensemble auf der Bühne versammelt zu haben, dass diese Herangehensweise darstellerisch packend umsetzt.
Im besten Sinne des Wortes darf man nämlich Vladislav Sulimsky und Asmik Grigorian als Singschauspieler bezeichnen, denn wie facettenreich und glaubwürdig die beiden den Weg ihrer Figuren nachzeichneten, war nichts weniger als beeindruckend. Jede Bewegung, jede mimische Regung erschien da organisch und authentisch (selbst in den Nahaufnahmen!), sodass der unvermeidliche Weg von privater Enttäuschung über den Griff nach der Macht bis hin in den Abgrund zu einem packenden Thriller wurde. Auch gesanglich legten beide alles in den Abend, Grigorian balancierte die Lady klanglich auf einer feinen Linie zwischen Schönheit – etwa mit dem abschließenden Piano in ihrer letzten Szene – und Wahnsinn in Form von laserscharfen Koloraturen im Brindisi. Ebenso gelang es Sulimsky, seinen Bariton sowohl weich und in warmen Farben verletzlich klingen zu lassen als auch silbrig timbrierte Kompromisslosigkeit in die Stimme zu mischen.
Tareq Nazmi lieh, wie auch bereits vor zwei Jahren, wieder dem Banco seine Stimme, wobei er an diesem Abend etwas verhalten klang und sein Bass nie so richtig ins Fließen zu kommen schien. Dennoch gelang ihm mit „Come dal ciel precipita” ein ergreifender Abgesang auf das irdische Leben. Den Macduff legte Charles Castronovo als Vernunftmenschen im Mafia-Outfit an, der relativ schnell das Spiel der Macbeths durchschaut, aber mitspielt, um die Revolution von innen in Gang setzen zu können; sein warm timbrierter Tenor strömte dabei lyrisch-elegant durch die Partie und sorgte mit strahlenden Spitzentönen für Glanz.

Die kleinen Rollen waren durchwegs gut besetzt, vor allem Natalia Gavrilan und Aleksei Kulagin stachen als Kammerfrau und Arzt hervor, als sie mit ungläubigem Entsetzen in Spiel und Stimme Lady Macbeths Abstieg in den Wahnsinn beobachteten. Für einen der stärksten Momente des Abends sorgte der Chor, der das „Patria oppressa” mit ergreifenden Piani, einer Fülle an Emotionen und klanglichen Farben gestaltete.
Am Pult der Wiener Philharmoniker lieferte Philippe Jordan ein ausgesprochen sängerfreundliches Dirigat und ließ sich zu keinem Zeitpunkt des Abends dazu hinreißen, die Lautstärke voll aufzudrehen und auf pure Wucht zu setzen. Stattdessen hielt er das Orchester zu ebenso sanft wie bedrohlich schwirrendem Klang und fein gesetzten Akzenten – insbesondere durch die bestens disponierten Hörner! – an, was sich ideal mit der psychologisch differenzierten Personenführung auf der Bühne verband. Und wenn es ein Orchester schafft, sogar blutigen Machtrausch und Mordlust verlockend klingen zu lassen, dann sind es definitiv die Wiener Philharmoniker!