Was haben Mendelssohn, Mozart und Beethoven gemeinsam? Beim Besuch der Kammerakademie Potsdam in der Berliner Philharmonie im Rahmen der aktuellen Deutschlandtournee ist es vor allem die Liebe zu schwelgenden Melodien, denen das Orchester und sein demnächst scheidender Chefdirigent Antonello Manacorda frönen. Meisterlich dazu spielt Emmanuel Pahud, Solo-Flötist der Berliner Philharmoniker auf Solistenpfaden, sodass der Höhepunkt des Abends bereits vor der Pause erklingt.

Emmanuel Pahud und Antonello Manacorda mit der Kammerakademie Potsdam © Robert Niemeyer
Emmanuel Pahud und Antonello Manacorda mit der Kammerakademie Potsdam
© Robert Niemeyer

Ein Hauch von Sommer weht zum Auftakt des Abends durch den gutgefüllten Kammermusiksaal. Felix Mendelssohns Ouvertüre zu Shakespeares Ein Sommernachtstraum steht auf dem Programm. Doch statt sternenfunkelndem Frühsommerlüftchen erklingt ein erdig-schwerer Spätsommerabend. Unterkühlt und leicht behäbig wirkt das Zusammenspiel der sonst so spielfreudigen Kammerakademie. Dieser Sommernachtstraum scheint eher vom Kopf gedacht, als mit sinnlichem Herzen gespielt – und so wird er schon bald in Vergessenheit geraten.

Denn auf schwungvollen Sohlen folgt bereits der Höhepunkt des Abends:  Wolfgang Amadeus Mozarts Konzert Nr. 1 für Flöte und Orchester in G-Dur. Bereits ab dem ersten Ton, als ungeschriebene Begleitung des Orchesters, lässt Emmanuel Pahud mit glasklarem Klang aufhorchen. An seiner Seite zeigt die Kammerakademie im Folgendem die Flexibilität und den Farbenreichtum, der im ersten Stück des Abends noch zu missen war. Niemals lässt sich das Orchester in den Hintergrund drängen, spielt mit, gestaltet, fordert heraus. So entfacht sich im Folgenden ein faszinierendes Wechselspiel zwischen Orchester und Solist, in das Dirigent Manacorda nur selten forcierend eingreift.

Im ersten Satz behält Pahud bereits aus der Komposition heraus dabei die Oberhand. Verführerisch-transparent und leicht über dem Orchester schwebend ist sein Ton in allen Lagen, die abschließende Kadenz virtuos-brillant. Eine ausgefeilte Phrasierung und fein abgestufte Dynamik sind dabei nur zwei Merkmale des bestechenden Spiels des Schweizers, der passend zum Orchester mit wenig Vibrato aufwartet und so gemeinsam einen schwelgerischen und dennoch überaus klassischen Mozart schafft. Über das gesamte Stück wirkt das Zusammenspiel von Solisten und Kammerakademie spontan, neugierig, aus dem Moment erwachsend. Hier wird probiert und gestaltet. Dass dabei nicht alles auf Anhieb genial funktioniert, ist bereits im nächsten Moment wieder vergessen, so viel Spaß macht es dieser Kombination zuzuhören. Als farbenreiche Zugabe gibt es anschließend noch ein gemeinsames Stück von Pahud mit dem Orchester, Odelette von Camille Saint-Saëns.

Nach der Pause wartet dann ein wahrer Klassiker des symphonischen Repertoires, den geneigte Berliner Konzertgänger*innen in dieser Saison ein gutes halbes Dutzend Mal hören können. Unter Antonello Manacorda klingt Ludwig van Beethovens Symphonie Nr. 7 in A-Dur eher muskelbepackt denn temperamentvoll-tänzerisch. Gediegene und musiker*innenfreundliche Tempi zu Beginn lassen die verschiedenen Motive in all ihrer Pracht erklingen. Im Folgenden forciert Manacorda die Geschwindigkeit durch expressive Gesten, lässt es fluten und ebben, ehe er das Orchester wieder in ruhigere Gefilde führt.

Immer wieder schafft es der Dirigent dabei, selten vernommene Details hörbar zu machen. Besonders beeindruckend ist das zu Beginn des zweiten Satzes in den Streicherfiguren. Manacorda betont das Tiefe, das Voranschreitende. Dabei scheint keine Stimme unwichtig, alles bekommt seinen Moment. Wieder wissen Orchester und Dirigent in den Melodien zu schwelgen, sich Zeit zu nehmen, auszuspielen. Nur im abschließenden Allegro con brio geht die gewohnte Transparenz etwas verloren, sodass das wild-tänzerische Finale bisweilen etwas ungestüm aber dennoch sehr effektvoll wirkt. An die spielerische Brillanz des Flötenkonzerts reicht diese Siebte dennoch nicht heran, Punkt für Mozart.

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