Beim Blick zurück in die Adventszeit 2013 kommt mir noch gut ein geschauter Livestream des Concertgebouw Amsterdam in Erinnerung, in dem der schon zum dortigen Barockpublikumsliebling avancierte Andrea Marcon eine von ihm erstellte mögliche Weihnachtsmesse im Markusdom zu Venedig unter Kapellmeister Claudio Monteverdi erstmals aufführte. Diese Vespro di Natale, bestehend aus Werken eben Monteverdis selbst, zuvörderst seiner Selva morale e spirituale, seines großen Vorgängers Giovanni Gabrieli, dessen Schülers Giovanni Valentini d.Ä., Alessandro Grandis und Francesco Uspers, entwickelte sich seither zu einem Repertoireklassiker des von Marcon seit 2009 künstlerisch geleiteten Ensembles La Cetra Basel.

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La Cetra mit Andrea Marcon
© Ivo Verschuuren

In seiner Jubiläumssaison zum 25-jährigen Bestehen des Barockorchesters durfte er nicht fehlen, so dass es nach dem Konzert im heimischen Basel mit zugehörigem, 2012 gegründetem Vokalensemble seines Einstudierers Carlos Federico Sepúlveda auf eine vorweihnachtliche Tournee nach Deutschland und Belgien ging. Und zurück in die Niederlande, diesmal Eindhoven, in dessen akustisch fabelhaftem Muziekgebouw ich das Arrangement jetzt physisch live vor Ort mitbekommen sollte.

Großartig wie der Saal präsentierten sich dabei auch der siebzehnköpfige Chor, aus dessen Capellamitte die Solisten für noch herausgehobenere solistische, damit hörgefälliger aufgehende Einsätze nach vorne traten, und das exklusive der zwei vor ihm platzierten Erzlauten mit zwei Violinen und Bratschen, Cello und Kontrabass, Orgel, zwei Cornetti und vier Sackbuts dahinter stehende Instrumentalensemble. Jenes Quartett konnte sich in Uspers Sonata à 8 op.3 solistisch bravourös und profund in Szene setzen, bevor die stets hervorragend florierenden Diskante der Cornetti mit Unterstützung des Continuos, schließlich zudem die imitierenden Geigen zum Instrumentalchor dazustießen.

Dabei wahrte La Cetra den trotz Marcons großer Armbewegungen und dramatisierender Vorgaben gewollten Klang geschmeidig strömender, prächtiger Festlichkeit mit eingebender Demut, dem – so auch in glänzender Sonata XVIII à 14 Gabrielis – bei aller runden, exakten, ja aus der liebgewonnenen Erfahrung gespeisten, perfekten Wohlfühligkeit ein Schuss spannungsvermehrender, noch dynamikforscherer Exzentrik – solche mal durch die Orgelverzierung in Monteverdis Confitebor tibi Domini III schön aufblitzend – ebenfalls gut zu Gesicht gestanden hätte. Doch scheint diese vielleicht dann als zu exaltiert welttriumphal wahrgenommene Temperierung der Affetti und Chiaroscuri hier nicht ganz Marcons Vorstellung einer besinnlicheren Weihnachtsmesse zu entsprechen, wenngleich die explizit Halt gebenden Erzlauten darin kontinuierlich ihre markanten Taktanreißer einbringen durften.

La Cetra mit Andrea Marcon © Ivo Verschuuren
La Cetra mit Andrea Marcon
© Ivo Verschuuren

Und in der das deklamationsgewandte, vollhomogene Vokalensemble, vor allem dessen famosen solistischen, stilsicheren Tenöre Massimo Lombardi und – insbesondere – Alberto Palacio Guardia sowie starken, doch mitunter inbrünstigeren Bässe Guglielmo Buonsanti und Ismael Arróniz textgemäß Tempo- und Ausdruckskontrasten auch mal größere theatralische Farbimpulse verleihen konnten. Am allerbesten kam alles – nach harmonischer Betonung und Phrasierung im solistisch sechsstimmigen Christe redemptor omnium – im Höhepunkt vor finalem Cantate Domino mit Monteverdis doppelchörigem Magnificat I zur Geltung, in dem sich Weiches und Knackiges zu einem überzeugend feierlich stimmigen Klanggemälde barocker Intensität verband.

Zeit zur entsprechenden Aufstellung und Sammlung der Vokalisten boten die zwischen den Stücken drapierten Mini-Intentionen Gabrielis durch Organist Johannes Keller, die ihrerseits den dramaturgisch-liturgischen und musikalischen Zweck des kurzen Innehaltens sowie eines Vorspiels erfüllten. Lagen weiter solistenbetrachtend Altus Matthias Luchts Vorteile im tieferen Register, wohingegen kleinere Unsauberkeiten in nicht so reiner Höhe – ausgerechnet ausgenommen schnelles, oktavlastigeres „Gloria“ – die Tonspur Valentinis Hodie Christus natus est säumten, hing ich an seinen Lippen in Grandis intensiver Motette O intemerata. Darin und noch mehr gar an denen seines ästhetisch-ätherischeren, in hoher Tessitura brillierenden, gut verständlichen, eleganten Altpartners Gabriel Diaz, der auch Grandis andere Duomotette O felix, o lucidissima nox gemeinsam mit schlankem, süßlich-lichtem, warmem, deutlichem Sopran Gunta Smirnovas erhellte. Smirnovas angenehm pure, gleichsam bewegliche Vokalität fand ihr Duplikat in so ebenfalls gerne gefolgter Francesca Cassinari. Selbiges traf auf Anna Piroli und – mit nur einem kleinen Solo, aber umso engelskehliger – Manon Chauvin zu.

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