Die drei Finalisten des diesjährigen Donatella-Flick-Dirigierwettbewerbs wurden in zwei Vorrunden aus anfangs 20 Kandidaten ausgewählt. Im Vergleich zu anderen namhaften Dirigierwettbewerben ist diese dreitägige Veranstaltung kurz und dicht gepackt, kann sich jedoch mit Sicherheit einiger berühmter Persönlichkeiten aus der Dirigentenwelt in der Jury rühmen – in diesem Jahr waren es Sir Antonio Pappano, Yuri Temirkanov, Gennady Rozhdestvensky und Carlo Rizzi. Zwei Mitglieder des London Symphony Orchestra, stellvertretender Konzertmeister Lennox Mackenzie (Vorsitzender der Jury) und Fagottistin Rachel Gough, sowie die stets elegante britische Sopranistin Dame Felicity Lott bildeten den Rest der Jury.

Die drei Dirigenten, die es in die letzte Runde geschafft haben, waren Vlad Vizireanu (Rumänien/USA), Kerem Hasan (UK) und Niklas Benjamin Hoffmann (Deutschland). Zuerst leitete jeder von ihnen die Ouvertüre zu Verdis La forza del destino, dann teilten sie sich Abschnitte bzw. Sätze aus Elgars Enigma-Variationen und Rachmaninows Symphonischen Tänzen.

Der älteste der drei, der 31-jährige Vlad Vizireanu, eröffnete den Abend mit einer gesammelten Interpretation der La forza-Ouvertüre ohne Partitur. Was mich am meisten an ihm beeindruckt hat war der gewichtige und sonore Klang, den er dem LSO entlockte; in den großen Tutti-Momenten erreichte er wahrscheinlich den üppigsten Klang. Seine Technik war generell sicher, wenngleich er gelegentlich Probleme hatte, die Einsätze zusammenzuhalten – vielleicht war das der Nervosität geschuldet. Im Verdi und im Elgar schien er alles sehr präzise vorbereitet zu haben und er versuchte, noch kleinste Details zu kontrollieren, was der Musik den Schwung nahm. Am entspanntesten war er im zweiten Satz der Symphonischen Tänze; der Walzer hatte Fluss und er arbeitete am Ende die dunkle, slawische Melancholie der Musik heraus.

Von den drei Interpretationen der Ouvertüre zog mich Kerem Hasans dramatische Lesart am meisten an. Das Tempo war sicherlich rasch und hatte Dringlichkeit, doch wichtiger noch, seine Phrasierung war flüssig und gab ein Gefühl von Richtung, und er vermochte die Phrasen vermittels Dynamik und Artikulation zu formen. Der wunderschön verhaltene Einsatz von Leonoras Gebetsthema der Streicher beispielsweise (im ppp) und die allmähliche Steigerung bis hin zum Höhepunkt war magisch. Seine Schlaghand blieb präzise und deutlich, seine linke war sehr expressiv (oft mit geballter Faust). In den Enigma-Variationen erhielt er die vielleicht schwierigste Passage – das Thema und die ersten vier Variationen – und obwohl er durchdachte Charakterisierung bot, schien er sich darin nicht ganz zu finden. Andererseits durfte er den letzten Tanz im Rachmaninow dirigieren, der jede Menge Antrieb und jugendliche Energie besaß (das Dies irae-Thema boxte er mit seiner Faust heraus), besonders in den äußeren Abschnitten.

Niklas Benjamin Hoffmann wählte in der Verdi-Ouvertüre den lyrischsten Ansatz. Auch er dirigierte ohne Partitur und man konnte sehen, dass er sicherstellte, dass die Musiker, besonders die Klarinette und andere Holzbläser, ihre Soli mit Leichtigkeit und Ausdruck singen konnten. Überwiegend ließ er die Musik natürlich fließen, doch wenn er etwas betonen wollte, schritt er mit starken, nach unten gerichteten Gesten ein. Ich fand, ihm gelang es am besten, Elgars Gefühl und Klangwelt einzufangen. Er dirigierte die mittleren Abschnitte bis zu „Nimrod“, entlockte in „Ysobel“ abermals ein denkwürdiges Bratschensolo, und der Übergang zu „Nimrod“ war so verhalten und klagend, dass das Publikum den Atem anhielt. Später zeigte er im ersten Symphonischen Tanz neben einem starken Gefühl für Rhythmus auch seine lyrische Seite und seine emphatische Steigerung vor der Reprise war beeindruckend. Er lächelte den Musikern oft zu und seine Körpersprache war enthusiastisch (das Publikum konnte die Gesichter und Gesten der Dirigenten auf zwei großen Bildschirmen sehen) und man sah, dass er mit den Musikern Vertrauen aufbaute. Charakteristisch für ihn war, dass er den Solisten nach dem Vortrag gesondert Anerkennung schenkte, ganz wie im Konzert.

Am Ende des Finales konnte ich mich nicht für einen Gewinner entscheiden. Am besten gefiel mir an diesem Abend Hasans La forza, doch keiner der drei überzeugte mich vollends im Elgar, und im Rachmaninow brachte jeder seine persönliche Note ein. Die Jury beriet sich etwa eine halbe Stunde lang (ich frage mich, was Pappano wohl über den Verdi oder Temirkanov über den Rachmaninow gedacht hat), wonach Hoffmann als Gewinner bekannt gegeben wurde. Er erhält ein Preisgeld von 15,000£ und ein Jahr als Assistenzdirigent des LSO. Es ist erwähnenswert, dass die Jurymitglieder (außer Pappano) sich auch die früheren Runden mit Repertoire von Haydn bis Strawinsky angehört hatten, und ich nehme an, dass sie sich vielmehr im Laufe der drei Tage ein Bild gemacht haben als nur im Finale, wie wir Zuhörer. Ich freue mich jedenfalls darauf, Hoffmann in zukünftigen LSO-Aktivitäten involviert zu sehen, und wünsche Hasan und Vizireanu eine erfolgreiche Karriere.


Aus dem Englischen übertragen von Hedy Mühleck.